Recherche 17. Februar 2024, von Marius Schären

Bibeltreue Bewegung im Quartier

Freikirchen

In einer Liegenschaft der Stadt Bern sorgt eine Wohngemeinschaft für Aufruhr. Die Bewegung Openhouse4cities will andere zu Jesus führen. Die Kirchgemeinde ist kritisch.

Die Klingelanlage der neuen städtischen Siedlung im Berner Rossfeld ziert das Logo «Open House Bern», neben einem Namensschild leicht schräg mit Klebeband befestigt. Und dieser Name provoziert Unruhe.

Ein anonymes Flugblatt in der Siedlung bezeichnete die Wohngemeinschaft als «besorgniserregend», mit Erklärungen der Beratungsstelle Infosekta. Im Chat der Siedlung kam es gemäss Nachbarn der WG zu heftigen Diskussionen über die Bewegung. Und regionale Zeitungen haben darüber berichtet.

Austreiben und heilen

Doch warum? Leiter der Bewegung Openhouse4cities ist Johannes Sieber. Der 34-Jährige mit Thuner Wurzeln lebt im aargauischen Oftringen. Er macht einen netten Eindruck und ist ganz grundsätzlich begeistert bei seinen Auftritten in zahlreichen Youtube-Videos.

«Du wirst Teil einer leidenschaftlichen Gemeinschaft», sagt er. «Du hilfst anpacken», «du brauchst deine geistlichen Gaben», und zwar zum Beten, Dämonen-Austreiben, Kranke-Heilen. Mit der Bewegung möchte er möglichst viele Menschen zu Jesus bringen.

Ich erlebte, dass die Bibel wahr ist. Ich betete für Menschen, und sie wurden geheilt.
Johannes Sieber, Leiter Openhouse4cities

Der gelernte Geomatiker hat gemäss eigenen Angaben bei IGW in der Schweiz Theologie studiert, in Südafrika einen Fern-Master gemacht und in den USA einen «Doctor of Ministry».

Openhouse4cities ist aus der BewegungPlus in Thun entstanden. Ein Freund sei mit der Idee einer Hausgemeinschaft zu ihm gekommen, berichtet Sieber. «Später wurde klar, dass sich unsere Visionen von denen der BewegungPlus unterscheiden, deshalb machten wir uns selbstständig.»

Kindlich, einfach, radikal

«Wir sind Christen und glauben, was in der Bibel steht», holt Sieber aus, nach den Zielen seiner Bewegung gefragt. Auf der Website wirbt sie mit den englischen Schlagworten für kindlich, einfach, radikal und rein.

In der reformierten Landeskirche aufgewachsen, habe er wenig Bezug zu seinem Leben in der Kirche gefunden, erzählt der 34-Jährige. Als Teenager sei er dann aber Jesus persönlich begegnet. «Das veränderte mein Leben. Ich erlebte, dass die Bibel wahr ist. Ich betete für Menschen, und sie wurden geheilt.»

Nun wolle er helfen, dieses Glück möglichst vielen anderen zu ermöglichen. «Wir sind eigentlich einfach Leute, die von Jesus erzählen. Daneben gehen wir ganz normal arbeiten», meint Sieber.

Wir lehnen das fundamentalistische Bibelverständnis der Gruppe ab.
Karl Schwaar, Kirchgemeinderatspräsident Matthäus Bern und Bremgarten

Gemäss der Bibel sei verloren und wandle im Dunkel, wer nicht bewusst mit Gott zusammenlebe. «Wir brauchen seine Rettung, die Vergebung für unsere Sünden und Fehler», ist Sieber überzeugt.

Die Bibel nähmen die Mitglieder der Bewegung wörtlich, aber nicht buchstäblich, sagt der Leiter der Bewegung. «Wir nehmen sie ernst und setzen sie modern um.»

Kirchgemeinde kritisiert

Die reformierte Kirchgemeinde, in deren Gebiet die WG liegt, kritisiert die Anliegen der Bewegung. «Wir lehnen das fundamentalistische Bibelverständnis der Gruppe ab», betont Karl Schwaar, der Kirchgemeinderatspräsident von Matthäus Bern und Bremgarten, auf Anfrage.

Eine Theologie, die Angst mache und manipuliere und die im Menschen ein Mängelwesen sehe, das von Teufeln und Dämonen befreit werden müsse, vertrage sich mit ihren Werten keinesfalls. Die Kirchgemeinde wolle Kinder, Jugendliche sowie weitere hilfsbedürftige Personen vor «forsch missionierenden Gruppierungen» schützen.

Vorderhand bleibt die christliche Wohngemeinschaft in der Berner Siedlung. Eine Einschätzung der Bewegung durch die Beratungsstelle Relinfo ist in unserem Interview zu lesen.