Das Berner Münster ist das weithin sichtbare architektonische Wahrzeichen der Bundesstadt. Die ab 1421 erbaute Grosskirche ist zugleich ein gutes Stück Europa: Dies zeigen jüngste Untersuchungen. Die stilistischen Einflüsse sind vielfältig und beschränken sich nicht nur auf den süddeutschen Raum zwischen Strassburg, Ulm und Regensburg, sie gehen sogar weiter bis nach Wien und Prag. Die Baumeister des Spätmittelalters waren mobil und an Projekten in unterschiedlichen Regionen beteiligt. Sie lernten laufend dazu und integrierten neue Ideen in ihr Schaffen. Dies gilt auch für die Architekten, die seinerzeit am Berner Münster mitbauten.
Ein Team hat das repräsentative und historisch bedeutsame Bauwerk im Rahmen eines breit angelegten Projekts neu erforscht. Entstanden ist im Zuge der sechsjährigen Forschungsarbeiten ein reich illustriertes Buch, das die Ergebnisse auf 650 Seiten präsentiert. Der als Standardwerk für die kommenden Jahrzehnte konzipierte Band ist jetzt auf dem Markt. Er behandelt das erste Jahrhundert des Münsters von der Grundsteinlegung 1421 bis zur Berner Reformation 1528.
Diesmal ist es Teamwork
In den vergangenen 60 Jahren galt Luc Mojons Kunstdenkmälerband als Standardwerk zum Berner Münster. Der Autor forschte und schrieb damals noch allein; im Gegensatz dazu handelt es sich beim neuen Buch um ein interdisziplinäres Gemeinschaftswerk. Geleitet wurde das vom Nationalfonds, der Burgergemeinde und der Bernischen Denkmalpflege-Stiftung mitfinanzierte Projekt von Bernd Nicolai und Jürg Schweizer. Nicolai ist Professor für Kunstgeschichte an der Universität Bern, der ehemalige kantonale Denkmalpfleger Schweizer ist Präsident des Berner Münsterbaukollegiums.
«Mit der Universität und der Münsterbauhütte kamen Wissenschaft und Praxis zusammen; diese enge Zusammenarbeit führte zu vertieften und neuen Erkenntnissen», sagt Nicolai. Das Team konnte auf Unterlagen zurückgreifen, die zu Mojons Zeiten noch nicht existierten, und verbesserte Untersuchungsmethoden anwenden, zum Beispiel für die Altersbestimmung von Holz. Hinzu kam, dass während des Forschungsprojekts zufällig gerade der Chor des Münsters restauriert wurde. Die dabei zu Tage geförderten Befunde konnten ebenfalls in das Buch einfliessen.
Nach welcher Methode errichteten die Bauhandwerker des Mittelalters eigentlich das spektakuläre Chorgewölbe? Diese Frage ist gerade auch für Laien besonders spannend. Darauf gibt das neue Buch eine überraschende Antwort. Bisher ging man davon aus, dass zuerst die Sandsteinrippen aneinandergefügt und zuletzt die dekorativ gestalteten Schlusssteine eingesetzt wurden – die fast magischen Angelpunkte, die die ganze Konstruktion zusammenhalten.