14. März 2024, von Cornelia Krause

Kirchen in Zürich springen für den Kanton ein

Synode

Die Landeskirchen wollen nicht anerkannten Religionsgemeinschaften Geld für gesamtgesellschaftlich relevante Tätigkeiten zur Verfügung stellen. Die Lösung soll vorübergehend sein.

Die Synodensitzung vom 19. März verspricht hitzige Debatten: Auf der Traktandenliste steht das ökumenische Programm der Landeskirchen für ihre Tätigkeiten mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Das Programm für die Jahre 2026 bis 2031 ist relevant für Staatsbeiträge, die der Kanton im Herbst für diese Tätigkeiten sprechen wird. 

In dem Zusammenhang diskutiert das Kirchenparlament aber ein Novum. Die Leitungen der reformierten Landeskirche im Kanton Zürich und der römisch-katholischen Körperschaft möchten den vom Kanton nicht anerkannten Religionsgemeinschaften, dazu gehören etwa Hindus, Muslime oder Buddhisten, einen Teil der Gelder zur Verfügung stellen.

Sechs Millionen Franken

Dabei geht es um je sechs Millionen Franken, welche die Kirchen den Religionsgemeinschaften mit einem Rahmenkredit zukommen lassen wollen. Allerdings unter der Voraussetzung, dass der Kantonsrat Beiträge in gleicher Höhe wie in der laufenden Periode genehmigt: 300 Millionen Franken. 

Unter anderem sollen die Gelder den Religionsgemeinschaften helfen, solide Strukturen aufzubauen. Dies sei ein Thema, das Kirchen und Kanton seit Jahren beschäftige, begründet die reformierte Kirchenratspräsidentin Esther Straub den Plan. In Zeiten von schwindenden Mitgliederzahlen in der reformierten und der katholischen Kirche und der gleichzeitig wachsenden muslimischen Bevölkerung werde dieses Bedürfnis «umso deutlicher». 

Ein schwelendes Problem

Mit der nun präsentierten Lösung wollten die Kirchen zeigen, dass sie verlässliche Partnerinnen des Kantons sind, wie sowohl Straub als auch der katholische Synodalrat Tobias Grimbacher betonen. Das Grundsatzproblem ist eine ungleiche Ausgangslage: Anders als bei den anerkannten Religionsgemeinschaften fehlt dem Kanton die rechtliche Basis dafür, die nicht anerkannten für ihre gesamtgesellschaftlichen Leistungen, etwa in der Seelsorge in Institutionen, dauerhaft finanziell zu unterstützen. An der Lage etwas zu ändern, steht schon lange im Raum. 

2017 legte der Kanton in Leitsätzen fest, dass klare Grundlagen zum Umgang mit nicht anerkannten Religionsgemeinschaften ausgearbeitet werden sollen. Doch Ergebnisse blieben aus. Das Justizdepartement und die für Beziehungen zu den Religionsgemeinschaften zuständige Regierungsrätin Jacqueline Fehr wollen sich zum jüngsten Vorstoss der Kirchen vorerst nicht äussern. Der Kanton sei in die Diskussionen aber im Vorfeld stark eingebunden gewesen, sagt Grimbacher. 

Orthodoxe und Muslime

Aus den Anträgen an die Kirchenparlamente geht hervor, dass viele Details, etwa zur Rechtsform des geplanten Fonds und zur Vergabe von Geldern, noch offen sind. Zu einem Grossteil dürften jedoch die Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (Vioz) sowie der Verband orthodoxer Kirchen im Kanton Zürich profitieren. Die Orthodoxen wurden von der katholischen Kirche bereits deutlich finanziell unterstützt.

Mit der Vioz arbeiten beide Kirchen eng in der Seelsorge zusammen, gemeinsam mit Kanton und Vioz bauten sie den Verein Qualitätssicherung der Muslimischen Seelsorge in öffentlichen Institutionen auf. Beide Kirchen unterstützten die Ausbildung muslimischer Seelsorger jährlich mit je 75 000 Franken. «Wenn wir die Vioz unterstützen, profitieren wir im Bereich Seelsorge von professionellem muslimischem Personal, das ist ganz in unserem Sinn», sagt Straub. 

Vioz-Geschäftsführer Muris Begovic sieht den jüngsten Vorstoss als «ein starkes Signal für Wertschätzung und Gleichbehandlung». Ziel der mittlerweile als gemeinnützig anerkannten Vereinigung sei es, etwa mit Blick auf die Seelsorge, keine Parallelstrukturen zu schaffen, sondern das Angebot der Kirchen zu ergänzen, sagt der Imam.

Nur ein Provisorium

Der Kirchenrat argumentiert im Antrag an die Synode auch mit dem Auftrag zum interreligiösen Dialog. In der jetzigen politischen Lage, in welcher der religiöse Frieden so wichtig sei, seien nun handfeste Zeichen nötig, dass im Kanton die Religionsgemeinschaften gemeinsam unterwegs sind, erklärt Straub. 

Ungewiss ist, ob eine Ablehnung durch die beiden Kirchenparlamente negative Auswirkungen auf die Höhe der Staatsbeiträge haben könnte. Esther Straub und Tobias Grimbacher sind sich jedoch einig, dass die vorgeschlagene Finanzierung lediglich als Übergangslösung tauge. Langfristig braucht es eine gesetzliche Basis: «Es kann nicht sein, dass die nicht anerkannten Religionsgemeinschaften auf den Goodwill der anerkannten angewiesen sind», sagt Straub.