Schwerpunkt 24. Januar 2024, von Cornelia Krause

Jobs im Kosovo dank der Diaspora

Brücken in den Balkan

Aus der Schweiz fliesst viel Geld durch Privatüberweisungen in den Kosovo. Nachhaltiger wären Investitionen in Firmen. Die Caritas Schweiz hat deshalb ein Pilotprojekt gestartet.

Afrim Balija ist in der Schweiz schon lange daheim: «Fällt Ihnen etwas auf an unserem Logo?», fragt er. Es sei schwarz-weiss, «genau wie die Farben des Kantons Freiburg».

Auch der Röstigraben ist im Büro von Balijas Schreinerei Lavisa in Courtepin präsent, er zieht sich sogar durch den Familienbetrieb. Balija möchte das Gespräch lieber auf Deutsch führen. Sein Sohn bietet einen Kaffee an – auf Französisch.

Private und berufliche Verbindungen

Der 54-jährige Schreiner hat gerade viel zu tun, es ist kurz vor Weihnachten und zahlreiche Kunden wollen noch bedient werden. Auch eine Reise in den Kosovo steht bevor. Denn dem Vater gehe es gerade nicht so gut, sagt Balija. Doch nicht nur private Beziehungen verbinden den Kosovo-Albaner mit der Heimat, beruflich ist er ebenfalls dort engagiert. Er arbeitet eng mit der Grossschreinerei seines Bruders in Ferizaj zusammen.

Rückkehrer bevorzugt

Das Diaspora-Projekt der Caritas Schweiz wird derzeit in vier Gemeinden durchgeführt. Es ist Teil eines übergeordneten Programms für Rückkehrer in das Land, das 2018 star­tete. Entstehen neue Arbeitsplätze durch das Diaspora-Projekt, werden bedürftige Menschen, die beispielsweise aus der Schweiz in den Kosovo zurückgehen, bevorzugt für die Stellen vorgeschlagen.

Der Bruder liefert ihm Küchenschränke und weitere Bauteile nach Mass, Balija baut diese bei seinen Kunden ein und macht die Feinarbeiten. So entstehen massgefertigte Küchen, designt in Switzerland und made in Kosovo quasi.

Diese Art von Zusammenarbeit zwischen lokaler Bevölkerung und Diaspora soll künftig Schule machen. Der Kosovo hat Unterstützung nötig: Die Arbeitslosenquote wurde zuletzt mit 12 Prozent ausgewiesen, doch Wirtschaftsexperten gehen gar von rund 35 Prozent aus. Vor allem junge Menschen verlassen das Land, weil sie kaum Perspektiven sehen. «Nur mit Arbeitsplätzen lässt sich die Abwanderung eindämmen», ist Balija überzeugt.

Sicherheit am Arbeitsplatz

Caritas Schweiz, seit Ende des Kriegs 1999 stark im Land engagiert, hat daher im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt gestartet. Die Idee: Die Diaspora investiert in Firmen aus der Heimat. Dazu bewerben sich Betriebe, etwa aus der Schweiz und Deutschland, mit Geschäftspartnern aus dem Kosovo um Fördergelder für konkrete Projekte.

Balija und sein Bruder waren unter den ersten Bewerbern und wurden akzeptiert. 36'000 Franken habe er investiert, der Bruder ungefähr 20'000, sagt der Schreiner. Fast noch einmal so viel kam von der Caritas Schweiz.

Mit dem Geld konnte die Firma des Bruders, ANB Baliu, eine Werkzeugmaschine mit modernster Steuerungstechnik kaufen. «Das bedeutet präzisere Zuschnitte, weniger Verschnitt», sagt Balija. Zudem erhöht das neue Gerät die Sicherheit am Arbeitsplatz und die Effizienz, ein zusätzlicher Arbeitsplatz wurde geschaffen. Auch Studenten der örtlichen Fachhochschule lernen an der neuen Maschine.

Wir sind eines der ersten internationalen Förderprojekte, die vom kosovarischen Staat überhaupt unterstützt werden, das ist ein enormer Erfolg.
Sandra Ege, Programmverantwortliche Kosovo Caritas Schweiz

Letztere Punkte seien für Caritas Schweiz entscheidend gewesen, sagt Sandra Ege, die bei einer gemeinsamen Videositzung mit Shpetim Shujaku, dem Projektleiter im Kosovo, das Diaspora-Projekt erklärt. Dank vier Firmenpartnerschaften seien 2023 insgesamt rund 20 Stellen geschaffen worden, in der holzverarbeitenden Industrie, der Textilbranche, der Lebensmittelverarbeitung und im Bereich Bildung, zählt Shujaku auf.

Er besucht die Firmen vor Ort, schaut, wie die Gelder eingesetzt und ob die zuvor definierten Ziele erreicht werden. Die Nachfrage sei hoch, «wir erhalten mehr Anträge, als wir annehmen können».

Private Geldflüsse

Das Pilotprojekt ist ein Element eines Migrationsprogramms der Caritas Schweiz, das die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und die liechtensteinische Regierung finanziell unterstützen. Einen Betrag von 600'000 Euro leistet auch das Ministerium für regionale Entwicklung im Kosovo. «Wir sind eines der ersten internationalen Förderprojekte, die vom kosovarischen Staat überhaupt unterstützt werden, das ist ein enormer Erfolg», sagt Ege.

Die Diaspora spielt für den Kosovo seit Jahrzehnten eine entscheidende Rolle. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung hat das Land eine der grössten Diasporagemeinden in Europa. Statistiken zufolge leben etwa 800'000 Kosovarinnen und Kosovaren im Ausland, das sind 44 Prozent der Bevölkerung.

Firmenpartnerschaften basieren oft auf privaten Beziehungen, weil die Leute dem Staat misstrauen.
Shpetim Shujaku, Projektleiter Caritas Schweiz

Viele Menschen schicken Geld in die Heimat: Private Überweisungen machten 2021 laut einer UNO-Studie rund 18 Prozent des Bruttoinlandprodukts aus. Doch die Geldflüsse sind nicht nachhaltig. «Mit dem Geld werden vor allem Konsumgüter gekauft, die meist im Ausland hergestellt werden. Die Wirtschaft des Landes selbst profitiert davon kaum», erklärt Ege. Deshalb soll die Diaspora animiert werden, direkt in Firmen zu investieren.

Geldgeber ohne Bezug zum Land sind schwierig zu finden. Politische Instabilität und komplizierte bürokratische Prozesse seien Gründe dafür, sagt Shujaku. «Vielen fehlt das Vertrauen in den Staat, selbst Kosovaren im Ausland.» So sei es kein Zufall, dass viele der unterstützten Firmenpartnerschaften auf privaten Beziehungen basierten, die Firmen etwa Familienangehörigen gehörten, wie bei Afrim Balija.

Aufbau einer Lebensgrundlage

Erzählt der Schreiner aus Courtepin seinen Werdegang, wird deutlich, dass er sich schon lange engagiert. Er erzählt, wie er selbst schon in den 80er-Jahren in die Schweiz gekommen ist. Damals habe er als Angestellter bei einem Schreiner im Nachbardorf gearbeitet.

Während des Krieges flohen seine Eltern und der jüngste Bruder hierher, entschieden sich aber nach wenigen Monaten freiwillig für die Rückkehr. «Da war klar, wenn mein Bruder zurückgeht und sich um die Eltern kümmert, braucht er eine Lebensgrundlage.» Balija half dem Bruder beim Aufbau des Betriebs im Kosovo, kaufte für ihn gebrauchte Maschinen, lange bevor er 2018 seine eigene Firma gründete. ANB Baliu beschäftigt inzwischen elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Zwei Flaggen

In Courtepin arbeitet Balija mit seinem Sohn zusammen, der Bauzeichner gelernt hat. Der Schreiner, seine Frau und die vier Kinder sind schon lange eingebürgert.

Jüngst hat er das Gebäude in der Industriezone von Courtepin, das er zunächst gemietet hatte, erworben. Nun baut er seinen Showroom aus. Er führt durch makellose Küchenlandschaften, ein neues Büro für die Kundenbesprechungen.

Hinter einer Tür offenbart sich die Werkstatt, die auch Garage für den Gabelstapler ist. An der Wand reihen sich Gerätschaften, Schraubstöcke, Sägen. Am Tor hängen zwei Flaggen: jene des Kosovo und das Schweizerkreuz.