Kultur 25. September 2024, von Sabine-Claudia Nold

Im «Elias» erklingt die Welt des Alten Testaments

Musik

Dürre, Regenwunder, Gotteserscheinung und eine Himmelfahrt – all dies kommt im «Elias» von Mendelssohn in Wort und Klang auf die Bühne. 

«Über 100 Sängerinnen und Sänger zusammen mit einem Berufsorchester sowie Solistinnen und Solisten – diese Stimmung ist einzigartig, für alle», sagt Beat Sieber, Intendant der Kammerphilharmonie Graubünden. Die Chorwoche mit der Kammerphilharmonie Graubünden findet zum dritten Mal statt. Geprobt wird der «Elias» von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847).

Erfolgreiches Konzept

«Wir suchten nach einem Format, das Berufsmusiker mit Laien zusammenbringt», erinnert sich Beat Sieber an die Entstehung der Chorwochen. «Sie sind ein durchschlagender Erfolg – über 40 Leute stehen auf der Warteliste», erzählt er. «Alle Sängerinnen und Sänger studieren die Gesangspartien selbstständig zu Hause ein.» Anders sei es nicht möglich, ein grosses Werk innert kürzester Zeit auf die Beine zu stellen. Für Sieber ist Singen auch eine Lebensschule. «Gemeinsam zu singen bedeutet, aufeinander zu hören.»

Zwischen zwei Welten

Als Werk ist «Elias» vielschichtig. Da sei zuerst der Stammbaum des Komponisten, erklärt Sieber. Denn Felix war der Enkel des jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn. Dennoch wurden er und seine drei Geschwister christlich erzogen und 1816 protestantisch getauft.
Felix Mendelssohn galt als musikalisches Wunderkind. Mit neun Jahren trat er zum ersten Mal auf, als Elfjähriger begann er zu komponieren und feierte erste Erfolge. Dennoch wurde ihm 1832 «wohl aus antisemitischen Gründen die Position des Direktors der Sing-Akademie in Berlin verwehrt», sagt Sieber.

Im Dritten Reich verboten

Im Dritten Reich wurde Mendelssohns Musik gar verboten. «Mendelssohn war wohl weder im Judentum noch im Christentum richtig verwurzelt und dennoch war ihm keine der beiden Religionen fremd», ist Sieber überzeugt. «So erinnert bei der Gotteserscheinung im ‹Elias› eine Tonabfolge an die Melodien, die in den Synagogen erklingen.» Obwohl es keine Belege für eine bewusste Ähnlichkeit gebe, für ein geübtes Ohr sei dies erkennbar.

Gefeiert und kritisiert

Als das Oratorium «Elias» 1846 erstmals erklang, reagierte das Publikum enthusiastisch. Bald gehörte das Werk zu den beliebtesten des 19. Jahrhunderts, obwohl schon wenige Jahre später Mängel an der Gesamtkonzeption reklamiert wurden. Es ist gut möglich, dass die lange Entstehungsgeschichte des «Elias» eine Rolle spielte: Sie zog sich fast ein Jahrzehnt hin, das Werk beinhaltet einander entgegenlaufende theologische und künstlerische Ideen.

Langwierige Entstehung

Mendelssohns Jugendfreund Karl Klingemann sollte den Text des Librettos liefern (1837), doch er nahm die Arbeit nie in Angriff. Der Komponist wandte sich deshalb mit seinem Entwurf an den Pfarrer Julius Schubring, der das Handlungsgerüst mit geeigneten Bibelstellen auffüllen sollte. Der Pfarrer störte sich jedoch am Szenario: Er wollte einen Elias, der als Vorläufer des Messias erschien. Als er noch die Absicht äusserte, eine Szene einzubauen, in der Christus selbst erscheint, gab Mendelssohn das Projekt wieder auf. 1845 erhielt er die Einladung, auf dem Musikfest in Birmingham ein neues Oratorium aufzuführen. 

Immer beliebt beim Publikum

Jetzt griff der Komponist erneut zum «Elias», und eine unerfreuliche Zusammenarbeit mit Julius Schubring fand ihre Fortsetzung, woraus ein ästhetisch uneinheitliches Libretto resultierte. Schubring hielt an der neutestamentlichen Interpretation des Propheten fest, was Mendelssohns Vision widersprach. In der Chronologie weit auseinanderliegende Texte aus dem Alten Testament wurden zusammengezogen. Die Entwicklung vom Feuer- und Sturmgott zum Weltengott der Nächstenliebe liessen den Biografen Eric Werner von einem «Potpourri aus religiöser Fanatik und salbungsvoller Pastoren-Frömmigkeit» sprechen. Ungeachtet der Kritik sei «Elias» beim Publikum immer beliebt gewesen, weiss Sieber. «Bis heute.»

12. 10 Zürich und 13.10 Bern. Tickets unter: www.kammerphilharmonie.ch