Porträt 25. November 2022, von Nadja Ehrbar

Mit ihrer Hilfe entstehen Unikate

Freiwilligenarbeit

Isabelle Torelli leitet im Zürcher Kirchenkreis drei die Menschen beim Kerzenziehen an. Ihre grosse Geduld zeichnet sie aus.

Als die Anfrage kam, sagte Isabelle Torelli sofort zu. «Es war klar, dass ich helfen würde.» Die 44-Jährige blickt zurück auf die Zeit, als sie mit ihrer damals fünfjährigen Tochter im Advent zum Kerzenziehen ging. «Mir gefiel die Beschäftigung sehr.» Erwachsene wie Kinder könnten mit-machen, es entstehe ein schönes Unikat, das sich auch als Weihnachtsgeschenk eigne. «Auch wenn es nicht immer perfekt ist.» 

Mittlerweile ist die Tochter 13 Jahre alt, und die Mutter steht noch immer in der Adventszeit jeweils drei Wochen im Kirchgemeindehaus Im Gut als Helferin im Einsatz. Bevor die Schulklassen oder einzelne Besucherinnen und Besucher eintreffen, kontrolliert sie die Chromstahltöpfe, in denen das Paraffin im Wasserbad erhitzt und verflüssigt wird. Sie achtet darauf, dass genug Wasser vorhanden und das Wachs 72 Grad warm ist. Dann legt sie Stofftücher zum Abtrocknen der Kerzen bereit. Denn zum Abkühlen werden die Kreationen in kaltes Wasser getaucht. «Das geht schneller als an der kühlen Luft.» 

Für einen guten Zweck

Schliesslich schneidet Torelli die Dochte auf eine Länge von 35 Zentimetern zu. Nachdem die Leute wieder gegangen sind, füllt sie Paraffin oder Bienenwachs nach, gibt Farbe hinzu und bringt dann mit einem Heissluftföhn die erkalteten Wachstropfen zum Schmelzen, sodass diese weggewischt werden oder in den Topf zurücklaufen können.  

Im Raum, in dem unser Gespräch stattfindet, ist es kühl. Torelli trägt einen hellblauen Wollpullover und schwarze Jeans. Ihre dunkelbraunen Haare hat sie mit einer Haarspange hochgesteckt. 

Sie erklärt sehr geduldig, kennt die Fachbegriffe, weiss, dass «Im Gut» jeweils rund 150 Kilogramm Paraffin und 40 Kilogramm Bienen-wachs verbraucht werden. Eine 200-Gramm-Paraffin-Kerze kostet sieben Franken, eine aus Bienenwachs etwas mehr: 9.40 Franken. Der Erlös – 2021 waren es 6500 Franken – geht an eine gemeinnützige Organisation, dieses Jahr ans Kinderheim Selam in Äthiopien.

Gelernte Damenschneiderin aus Altorf

Obwohl Torelli seit gut 20 Jahren in Zürich lebt, ist ihr Urner Dialekt im Gespräch herauszuhören. Sie stammt aus Altdorf, lernte Damenschneiderin, arbeitete in einem Theater und dann in einem Industriebetrieb. Nach der Geburt ihrer Tochter war sie drei Jahre lang Tagesmutter. Heute arbeitet sie Teilzeit im Museum Rietberg.  

Kreativ zu sein, liegt ihr. Vor Leute hinzustehen und zu referieren, weniger. Wenn sie ihnen aber zum Beispiel zeigen kann, wie eine Kerze mit Wachsresten verziert werden kann, ist sie gerne zur Stelle. 

Wenn man Geduld mitbringt und Menschen gernhat, dann hilft das.

Wie im Museum beantwortet Torelli Fragen, kontrolliert diskret und weist manch-mal zurecht. Voraussetzungen für die Freiwilligenarbeit gebe es nicht, sagt sie. «Wenn man aber Geduld mitbringt und die Menschen gern hat, dann hilft das.» 

Fürs Foto bittet sie einen Jungen freundlich, aber bestimmt, seine Ker-ze in den Topf zu tauchen, bei dem sie Wachs nachfüllt. Ohne zu zögern, kommt dieser der Bitte nach.

Eine bunte Gemeinschaft

30 Freiwillige helfen im Kirchenkreis drei beim Kerzenziehen, darunter auch über 80-Jährige. «Ich schätze es, dass ich Menschen aus dem Quartier kennenlerne», sagt Torelli. «Ich kann helfen, unterstütze einen guten Zweck und darf auf die Menschen eingehen, mit ihnen kreativ sein.» Sie sei immer wieder erstaunt, welche schönen Ideen die Besucher umsetzten.  

Auch nächstes Jahr will sie wieder an den Wachstöpfen stehen. Die Arbeit ist für sie im Advent zu einer Tradition geworden. Genauso wie das Weihnachtsessen, das die Kirchgemeinde am 24. Dezember für ihre Mitglieder organisiert. Torelli, ihr Mann und die Tochter helfen im Service mit. «Danach verbringen wir den Weihnachtstag als Familie zu Hause im Pyjama», sagt sie und lacht.