Recherche 30. November 2020, von Constanze Broelemann

Im Engadin gibt es schon seit dreissig Jahren faire Produkte

Handel

Im Engadin gibt es schon lange ein Geschäft für fairen Handel. Initiiert von einer ökumenischen Gruppe, hatte der Laden schon fair gehandelte Produkte, bevor sie andere hatten.

In Pontresina wurden schon «Fair Trade»-Produkte verkauft, als diese Bezeichnung für gerecht gehandelte Waren noch gar nicht im Trend war. Vor genau 30 Jahren hat eine Gruppe von Menschen aus St. Moritz und Pontresina den Weltladen «L'Arch San Martin» gegründet. Den Regenbogen im Logo als Symbol, das Völker verbindet.
Beeindruckt vom ökumenischen Konzil für «Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung», das an Pfingsten 1989 in Basel tagte, wollte die Engadiner Gruppe an ökumenischen Christinnen und Christen etwas entstehen lassen, das bleibt. Ein Verein mit Statuten und Zielen wurde gegründet. Der Weltladen war geboren.

Vorreiter von Quinoa
«Wir waren vor 30 Jahren mit die Ersten, die Quinoa in ihren Regalen hatten», sagt Carola Bezzola. Die Lehrerin und Heilpädagogin ist Vizepräsidentin im Weltladen. Zu Beginn konnte man im Laden noch
Bibeln oder ausgewählte Literatur aus der sogenannten Dritten Welt kaufen. Heute sind nur noch wenige Bücher im Sortiment, dafür jede Menge Produkte aus fairem Handel und der «Ufficina Protetta».Schon als junge Frau hat es Carola Bezzola gestört, dass die Welt aus unfairem Handel besteht. «Manche haben nix, andere sind wahnsinnig reich», so Bezzola. Daher ist das Ziel den Produzentinnen, mit denen der Weltladen zusammenarbeitet, ­einen angemessenen Lohn zu zahlen. Verhältnisse zu schaffen, die den Menschen ermöglichen, unter würdigen Bedingungen zu arbeiten. Das bedeutet jedoch für den Konsumenten mehr zu zahlen. Ein Pullover aus Alpakawolle kostet dann schon mal 228 Franken, aber es gibt auch günstigere Produkte.

Lokal trifft international
«Es sind immer dieselben Menschen, die bei uns einkaufen», sagt Bezzola. Sie ist sich sicher, dass einige Bewohner von Pontresina noch nie einen Fuss über die Schwelle des Weltladens gesetzt haben. Umso interessanter ist aber der kleine Laden neben dem Hotel Engadiner Hof für Touristen. Die finden hier eine Sonderedition von fair gehandeltem Kaffee der Bündner Kafferösterei Badilatti neben Produkten aus Übersee, zum Beispiel geflochtene Körbe aus Bangladesh.

Für Susanne Dwenger, die seit Jahren die Waren für den Laden einkauft, war es Albert Schweitzer, der sie für die Zusammenarbeit mit Men­schen aus anderen Ländern inspirierte. Sie erinnert sich an Zeiten, als sie mit ihrem an Waren vollgepackten Personenwagen kaum den Albulapass hochkam. «Früher haben wir jeden Pulli anprobiert», sagt sie. Denn die Bolivianerinnen strick­ten schöne Muster, mit natürlich ge­färbter Wolle, aber manchmal war ein Arm zu lang. Denn die Frauen hatten nicht immer genug Licht in ihren Häusern. «Die Anfänge waren authentischer, individueller als heute», sagt Carola Bezzola.
Inzwischen hat der Weltladen ein ähnliches Sortiment wie die Claro-Läden und bezieht auch Produkte über den Anbieter im Fair-Trade-
Bereich. Und dennoch hat der Weltladen bis heute ein eigenes Profil: Alle Mitglieder sind in einem Verein organisiert. Eine Ladengruppe stellt das Verkaufspersonal. Ehrenamtlich. Immer wieder werden gemeinschaftlich Projekte ausgewählt, die der Verein unterstützt. Ein Aids-
Waisenhaus in Thailand etwa. Annelies Cavelti, eine der ehrenamtlichen Verkäuferinnen in Pontresina sagt: «Ich möchte nicht nur spenden, sondern aktiv etwas tun.» Vielleicht setzt ja auch die deutsche Kanzlerin in ihrer Weihnachts­destination mal einen Fuss in den Weltladen.

«Manche haben nix, andere sind wahnsinnig reich.»
Carola Bezzola, Vizepräsidentin Weltladen

Produkte aus der «Ufficina» in Samedan

Der Weltladen verkauft auch Produkte aus Materialien der «Ufficina» in Samedan, welche von Menschen mit Beeinträchtigungen gefertigt werden. Zum Beispiel Textilien und Holzarbeiten. Oder Holzwaren und Schmuck
aus dem «L’Incontro», der betreuten Tagesstätte in Poschiavo. Sie gehören zum Verein Movimento, der Menschen mit Beeinträchtigungen und
betreuende Angehörige unterstützt.

www.movimento.ch