Recherche 27. April 2020, von Rita Gianelli

Damit die Botschaft von Kirche besser ankommt

Online

Gottesdienste auf Online-Portalen gehören in Zeiten der Corona-Pandemie zum Alternativangebot der Kirchen. Ein Mehrwert für die Kirche, wenn ein paar Grundregeln beachtet werden.

Die Kamera im Rücken, schreitet eine Pfarrerin im Talar zwischen den leeren Kirchenbänken zur Kanzel. Schnitt. Musik ertönt und die spielenden Hände der Organistin sind im Bild. Schnitt. Erneut die Pfarrerin, die jetzt auf der Kanzel steht. Sie hält einen Monolog, die Predigt. In manchen Beiträgen lockert ein Blumengesteck, ein Kirchenfenster oder ein auf dem Boden arrangierter Steinkreis die Szene auf.
So und ähnlich sehen die Filmaufnahmen von Gottesdiensten ­ohne Kirchenbesucher aus. Sie sind derzeit auf vielen Webseiten von Kirchgemeinden oder auf Videoportalen wie Youtube zu finden. Sie sollen Ersatz sein für die gemeinsamen sonntäglichen Feiern in den Kirchen, welche in Zeiten der Corona-Pandemie verboten sind.

Zuhören fokussieren

Doch den Mehrwert von Live­stream-Gottesdiensten betrachtet der Theologe Beat Büchi kritisch. Das hat mit den Möglichkeiten und Grenzen des Mediums zu tun. Beat Büchi, Doktorand an der Universität Basel, befasst sich mit Fragen der reformierten Liturgie, also den Formen des traditionellen Gottesdienstes. Im Gottesdienst trete man als Gemeinde vor Gott. Büchi stellt sich grundsätzlich die Frage, ob Film als Medium geeignet ist, einen Gottesdienst zu vollziehen. Und ob dieses Vor-Gott-Treten bildlich überhaupt vollzogen werden könne.«Oft stört mich bei Online-Gottesdiensten die Kameraführung. Der Kirchenraum mutiert teilweise zum Hintergrundbild einer sich mir zu nah in die Kamera aufdrängenden Pfarrperson.» Auch bei ­einem Gebet die betende Person in Nahaufnahme und mit Blickkontakt zu zeigen, schaffe den Charakter des Gebets ab. «Im Gebet spricht nicht die Pfarrperson zu mir, sondern sie betet laut im Namen der Gemeinde zu Gott.» Büchi empfiehlt, für die Übertragung von Gottesdiensten, sich eher auf die Hörerfahrung zu beschränken und zum Beispiel Podcasts mit kurzen Predigtimpulsen aufzuschalten. Ein Blick in den Kanton Graubünden zeigt, dass einige Gemeinden das auch bereits tun. Neben «3x3-Minuten-Predigten», werden öster­liche Podcasts, aber eben auch hin und wieder dreiviertelstündige Livestream-Gottesdienste übertragen. Die Besucherzahlen auf den Gemeindeseiten und Online-Portalen zeigen, dass die virtuellen Gottesdienste ein Publikum haben. «Ich schaue mir alle Übertragungen an und bin froh, dass wir wenigstens das haben», sagt ­eine Rentnerin aus dem Oberengadin.

Homestory mit Pfarrer

Für den Bündner Drehbuchautor und Theaterregisseur Felix Benesch ist die aktuelle Situation eine Chance auch filmisch, Kirchenferne oder Junge anzusprechen. «Mit ein wenig Kreativität könnten die Botschaften der Kirche anders und vielleicht sogar noch eindringlicher verbreitet werden», sagt er auf Anfrage und gibt gleich ein paar Tipps. Filmisches Erzählen brauche immer eine Dramaturgie. Konkret könnte das heissen, das Setting an ein Flussufer, in den Supermarkt zu verlegen oder eine Homestory mit dem Pfarrer zu drehen. Auch ein eingeblendetes Kirchenfenster etwa oder ein Kerzenlicht sollte stets in Verbindung mit dem Inhalt der erzählten Geschichte stehen.

Zweidimensionales Medium

Man müsse sich bewusst machen, was mit Film oder Video möglich sei. Film ist im Gegensatz zur wirklichen Erfahrung ein zweidimensionales Medium. Dementsprechend sind Geschichten anders zu erzählen. Indem man beispielsweise andere Orte aufsucht, andere Menschen einbindet. «Im Idealfall gelingt es, einen Mehrwert aus der Situation zu ziehen», sagt der St. Moritzer. «Ein Video ist kein Gottesdienst.» Viele Kulturschaffende seien an Religion interessiert. Er rät Kirchenvertretern konkret die Kooperation mit Kulturschaffenden zu suchen und sich das nötige Wissen zu holen.  Auch Beat Büchi sieht in der gegenwärtigen Situation der Kirche, die sich stark online bewegt eine Chance. «Sie verstärkt die Fragen nach dem Wesen der Kirche und vor allem auch nach dem Wesen von Gottesdienstfeiern. Das kann nur positiv sein.»