«Der Glaube traf mich mit Pfarrer Michaelis. Es war ein Geschenk. Als Konfirmand liebte ich seine Predigten, obwohl ich kaum etwas verstand. Aber sein ehrlicher tiefer Glaube beeindruckte mich. Gläubig sein, heisst für mich behütet sein. Ja, ich glaube an den da oben, es gibt nichts anderes. Mein
Glaube ist unverändert. Einmal in der Woche brauche ich Besinnung. In der Kirche ist das wegen der Fusion nur noch einmal im Monat möglich. Die anderen Sonntage bleibe ich daheim und höre eine Sendung im romanischen Radio.
Vorrat angelegt
Heute belächeln einen die Leute, wenn man zur Kirche geht. ‹Jetzt kommen die Frömmler›, heisst es, wenn ich nach dem Gottesdienst das Restaurant betrete. Ein bisschen kann ich das ja verstehen. Frömmler gibt es mehr als genug. Leute, die einem den Glauben erklären wollen. Man hat es mit erwachsenen Menschen zu tun. Den Glauben baut jeder selbst auf. Darüber sprechen, kann ich nicht. Als selbstständiger Gläubiger bin ich in erster Linie mit mir allein. Natürlich braucht es die Gemeinschaft, um den Glauben am Leben zu erhalten. Doch am Anfang steht die eigene Position. ‹Eine feste Burg ist unser Gott›, bei dem bin ich daheim, das sage ich jetzt ganz unwissenschaftlich. Mein Augenlicht ist schwach. Und es fehlt mir oft an geistiger Nahrung. Zum Glück habe ich mir davon aber in den letzten 82 Jahren einen kleinen Vorrat angelegt.»