Recherche 07. Januar 2020, von Constanze Broelemann

«oba aba» kommen mit dem Abfall

Konsum

Vor einem Jahr gründeten junge Bündnerinnen den ersten Un­ver­packt-Laden in der Südostschweiz. Das «oba aba» in Chur ist mehr als ein Ge­schäft. Die Gründerinn

Natacha Espirito Santo. Ein Erlebnis ist der gebürtigen Churerin dabei besonders im Gedächtnis geblieben: Das war auf einer Busreise in Indien. Dort schaute sie aus dem Fenster, als ihr plötzlich eine Strecke mit Abfall auffiel. Ein kleiner Hund machte sich daran zu schaffen: «Der sucht sicher etwas zu essen», dachte Natacha Espirito Santo. Bis ihr auffiel, dass der Hund schleckte. «Oh mein Gott, das muss Wasser sein, von dem man vor lauter Abfall nichts mehr sieht», schoss es ihr durch den Kopf. Da habe sie das komplette Ausmass des Mülls der modernen Zivilisation gesehen.

Schweiz unter den Top Ten

Indien ist nicht so weit entfernt von der Schweiz, wenn man bedenkt, dass der Konsum hier und der Abfall dort zusammenhängen. «Ich ver­stehe nicht, wenn die Leute sagen, was hat ein kleines Land wie Schweiz denn schon für einen Einfluss?» Immerhin sei die Schweiz, was die Produktion von Abfall betrifft, weltweit unter den Top Ten mit über 700 Kilogramm Müll pro Kopf und pro Jahr.
Die studierte Biologin Espirito Santo setzt sich bereits seit vier Jahren mit dem Thema Naturschutz auseinander. In der Wissenschaft wisse man seit dreissig Jahren um die Umweltprobleme, die erst jetzt mit der Klimajugend en vouge sind. Der Bünderin brannte es schon lange unter den Nägeln, etwas zu tun. Der Plastikmüll, den sie täglich nach Hause schleppte, habe sie ex­trem genervt. Inspiriert von den  allerers­ten Unverpackt-Läden in der Schweiz, dem «Foifi» und «Chez Mamie» in Zürich, hängte sie ihren Job in der HIV-Forschung an den Nagel und ging zurück nach Chur. Wieso nicht daheim auch einen Laden mit möglichst wenig Verpackungsmüll eröffnen, fragte sie sich. Mit Unterstützung von Tara Wel­schinger, der Gründerin des «Foifi» in Zürich und dem amerikanischen Umweltaktivisten Rob Greenfield or­ganisierte sie einen Infoabend im Churer Lokal Werkstatt. Dort stellte sie ihr Konzept des Unverpackt-Ladens «oba aba» vor. Die Resonanz war überwältigend. Gemeinsam mit Andrina Caprez und Nicole Derungs startete sie eine Crowdfounding-Kampagne auf der Internet-Plattform «wemakeit». Die Idee war, auf diese Weise die Finanzierung des Ladens zu stemmen.

Sechsten Platz erreicht

Innerhalb von 20 Tagen kamen 47 000 Franken von 440 Unterstützern zusammen. Die Online-Kampagne war damit im Jahr 2018 eine der erfolgreichsten auf der Plattform, die im ganzen deutschsprachigen Europa aktiv ist. Im Dezember 2018 wurde mit dem «oba aba» der erste Unverpackt-Laden in der Südostschweiz eröffnet.Heute, ein Jahr später, sind die Gründerinnen guter Dinge: «Ein Jahr zwei kann kommen», so Espirito Santo. Die Buchhaltung, die Andrina Caprez aus dem Savognin betreut, liefert erfreuliche Ergebnisse. Natürlich sei noch Luft nach oben, aber die Bündnerinnen und Bündner nehmen das Geschäft an: «Ich habe das Gefühl, dass die Menschen zunehmend ihren Konsum überdenken», sagt Espirito Santo. Die Pasta aus Scharans sei schon teurer als die aus der Fabrik in Italien. Aber in der Schweiz würde mit bloss zehn Prozent vom Lohn sowieso zu wenig Geld für Lebensmittel ausgegeben. Dabei sei Essen doch eine Grundbedingung für das Leben, das müsste doch einen anderen Wert haben: «Ein Auto kann dich nicht ernähren» , sagt Natacha Espitito Santo.
Im «oba aba» fährt man zum ­einen den Konsum herunter und ausserdem kommen die Produkte eben auch «oba aba» von Lieferanten aus der Region: «Kauft man bei uns, unterstützt man echte Menschen aus dem Kanton, die tolle Sachen machen», sagt Espirito Santo. Für ihre Leidenschaft geht sie selbst finanzielle Kompromisse ein. Denn Espirito Santo ist die einzige der drei Gründerinnen, die vollzeitlich im «oba aba» arbeitet.

Pop-up-Kino in Chur

Der Churer Unverpackt-Laden hat Ausstrahlung. So unterstützen die Gründerinnen ein Pop-up-Kino (tem­poräres Kino) in Chur, in dem Umweltdokumentarfilme gezeigt werden. «oba aba» will auch mithelfen, dass in Chur an grossen öffentlichen Anlässen Depotbecher obligatorisch werden. «Was in anderen Schweizer Städten längst Gang und Gäbe ist, fehlt in der Kantonshauptstadt», sagt Espirito Santo. Man habe bereits über 5000 Unterschriften für das Anliegen gesammelt. Und warum Chur? Sie sei ein freier Mensch, sie hätte überall hingehen können, sagt Natacha Espirito Santo: «Aber wieso nicht daheim etwas ändern. Anpacken da, wo wir sind.

Unverpackt-Laden

In Berlin wurde mit dem «Original Unverpackt» der erste Laden im deutschsprachigen Raum gegründet. Auch in der Schweiz hat es inzwischen viele «zero waste (ohne Abfall) Läden».  Die Kundinnen und Kunden bringen ihre eigene Tupperware, Gläser oder Beutel mit und füllen sich die Produkte ab. So soll der Verpackungsmüll re­duziert werden. Im «obaaba» ist die Produktpaltette vielfältig. Übrigens haben sich auch einige reformierte Gemeinden in Graubünden bereits verpflichtet, ihre Veranstaltungen zukünftig ohne Plastik durchzuführen. www.obaaba.ch