Die Schweizer gelten als spendables Volk. Dennoch gehen bei Ihnen und anderen Hilfswerken die Spenden zurück. Was ist das Problem?
Peter Merz: Der Spendenmarkt ist immer härter umkämpft – in der Schweiz, aber auch international. Dennoch unterstützen die Schweizer und Schweizerinnen ihre Hilfswerke grosszügig. Angesicht der weltweiten Not bräuchten wir aber noch mehr Unterstützung und Geld. Lang anhaltende Krisen wie Kriege, Klimakatastrophen und interne Konflikte lösen leider immer weniger mediales Interesse aus. Fehlende Berichterstattung macht es aber schwieriger, Menschen zum Spenden zu motivieren.
Auch die politischen Rahmenbedingungen ändern sich. Der Bundesrat will die internationale Entwicklungszusammenarbeit neu ausrichten. Wie stehen Sie zu der Botschaft aus der Feder von Bundesrat Ignazio Cassis?
Mit der Stossrichtung sind wir einverstanden. Die internationale Zusammenarbeit muss der Armutsbekämpfung dienen und unter dem Dach der Agenda 2030 stehen, also den Zielen für nachhaltige Entwicklung entsprechen. Unbefriedigend an der Botschaft ist hingegen, dass Entwicklungszusammenarbeit künftig primär den Interessen der Schweiz dienen soll.
Was ist so falsch daran?
Es ist ein egoistischer Ansatz. Die Schweiz ist bekannt für ihre humanitäre Tradition. Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sollen im Dienste der Benachteiligten stehen. Die Botschaft sieht vor, dass Entwicklungshilfe teils an die Bedingung geknüpft wird, dass sich weniger Menschen auf den Weg nach Europa machen. Doch diese Idee greift zu kurz. Denken Sie an die Lebensverhältnisse beispielsweise in Syrien. Da sind humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wichtig, es wird aber immer Menschen geben, die anderswo eine Perspektive suchen. Auch der Stärkung der Zivilgesellschaft wurde zu wenig Bedeutung beigemessen. Jetzt warten wir die Diskussionen in den Räten ab.
Das Parlament ist grüner, weiblicher. Erwarten Sie sich mehr Unterstützung für Ihre Anliegen?
Ja, ich hoffe, das hilft, eine vertretbare Botschaft zu verabschieden, die auch genügend Finanzmittel vorsieht. Es gab aber auch eine gewisse Verschiebung innerhalb des linken Spektrums, von den Sozialdemokraten zu den Grünen und Grünliberalen. Es stellt sich jetzt die Frage, wie sich Letztere positionieren. Sie sind zum Teil sehr wirtschaftsfreundlich. Das muss nicht per se schlecht sein. Aber es braucht einen Konsens für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, bei der auch die Menschenrechte beachtet werden.
Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle in der Botschaft. Ist das gut?
Damit die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erreicht werden können, müssen sich Regierung, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft gemeinsam engagieren. Menschenrechte müssen eingehalten und der internationale Rechtsrahmen sowie die Landesgesetze respektiert werden. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft soll Mehrwerte schaffen und nicht Ressourcen unwiederbringlich zerstören. Dies sind Vorgaben, wie sie die Konzernverantwortungsinitiative formuliert.