Recherche 03. März 2020, von Constanze Broelemann, Cornelia Krause

«Wir wollen ein klares Profil haben»

Hilfswerke

Der Spendenmarkt ist hart umkämpft, wie Heks Direktor Peter Merz sagt. Mit ihrer Fusion hoffen das Heks und «Brot für alle», sich in diesem schwierigen Umfeld stärker zu behaupten

Die Schweizer gelten als spendables Volk. Dennoch gehen bei Ihnen und anderen Hilfswerken die Spenden zurück. Was ist das Problem?

Peter Merz: Der Spendenmarkt ist immer härter umkämpft – in der Schweiz, aber auch international. Dennoch unterstützen die Schweizer und Schweizerinnen ihre Hilfswerke grosszügig. Angesicht der weltweiten Not bräuchten wir aber noch mehr Unterstützung und Geld. Lang anhaltende Krisen wie Kriege, Klimakatastrophen und interne Konflikte lösen leider immer weniger mediales Interesse aus. Fehlende Berichterstattung macht es aber schwieriger, Menschen zum Spenden zu motivieren.

Auch die politischen Rahmenbedingungen ändern sich. Der Bundesrat will die internationale Entwicklungszusammenarbeit neu ausrichten. Wie stehen Sie zu der Botschaft aus der Feder von Bundesrat Ignazio Cassis? 

Mit der Stossrichtung sind wir einverstanden. Die internationale Zusammenarbeit muss der Armutsbekämpfung dienen und unter dem Dach der Agenda 2030 stehen, also den Zielen für nachhaltige Entwicklung entsprechen. Unbefriedigend an der Botschaft ist hingegen, dass Entwicklungszusammenarbeit künftig primär den Interessen der Schweiz dienen soll.

Was ist so falsch daran?

Es ist ein egoistischer Ansatz. Die Schweiz ist bekannt für ihre humanitäre Tradition. Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe sollen im Dienste der Benachteiligten stehen. Die Botschaft sieht vor, dass Entwicklungshilfe teils an die Bedingung geknüpft wird, dass sich weniger Menschen auf den Weg nach Europa machen. Doch diese Idee greift zu kurz. Denken Sie an die Lebensverhältnisse beispielsweise in Syrien. Da sind humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wichtig, es wird aber immer Menschen geben, die anderswo eine Perspektive suchen. Auch der Stärkung der Zivilgesellschaft wurde zu wenig Bedeutung beigemessen. Jetzt warten wir die Diskussionen in den Räten ab.

Das Parlament ist grüner, weiblicher. Erwarten Sie sich mehr Unterstützung für Ihre Anliegen?

Ja, ich hoffe, das hilft, eine vertretbare Botschaft zu verabschieden, die auch genügend Finanzmittel vorsieht. Es gab aber auch eine gewisse Verschiebung innerhalb des linken Spektrums, von den Sozialdemokraten zu den Grünen und Grünliberalen. Es stellt sich jetzt die Frage, wie sich Letztere positionieren. Sie sind zum Teil sehr wirtschaftsfreundlich. Das muss nicht per se schlecht sein. Aber es braucht einen Konsens für eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit, bei der auch die Menschenrechte beachtet werden.

Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft spielt eine wichtige Rolle in der Botschaft. Ist das gut?

Damit die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 erreicht werden können, müssen sich Regierung, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft gemeinsam engagieren. Menschenrechte müssen eingehalten und der internationale Rechtsrahmen sowie die Landesgesetze respektiert werden. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft soll Mehrwerte schaffen und nicht Ressourcen unwiederbringlich zerstören. Dies sind Vorgaben, wie sie die Konzernverantwortungsinitiative formuliert. 

Ich hoffe, dass man uns als politisch engagierte Organisation wahrnimmt.

Apropos Wirtschaftlichkeit: Heks ist in einem Konsolidierungsprozess, musste sich aus drei Ländern und mehreren Projekten zurück-ziehen. Wie erfolgreich war 2019?

Wir waren mehrheitlich planmässig unterwegs und konnten unsere finanziellen Ziele für die Gesamtorganisation weitgehend erreichen. Für die Auslandprogramme mussten wir erneut auf Gelder aus angesparten Fonds zurückgreifen. 

Ihre Antwort auf das schwierige Umfeld ist die für 2022 geplante Fusion mit dem Entwicklungsdienst «Brot für alle». Könnte die stärkere politische Positionierung zum Nachteil auf dem Spendenmarkt werden?

Wir wollen auch als fusioniertes Werk ein klares Profil haben. Ich hoffe, dass man uns als politisch engagierte Organisation wahrnimmt. Wir müssen die Menschen für die Themen Klimagerechtigkeit, Landvertreibung, Flucht und Asyl sensibilisieren. Gerade in den Kirchen wird ein profiliertes Hilfswerk positiv aufgenommen. Auch die Evangelisch-reformierte Kirche Schweiz unterstützt ja die Konzernverantwortungsinitiative.

Ein neuer Name, eine neue Organisation. Laufen Sie nicht Gefahr, Spender zu verlieren?

Eine Gefahr besteht tatsächlich darin, dass Spendende, die bisher beide Organisationen unterstützt haben, der fusionierten Organisation nicht mehr gleich viel spenden wie vorher den beiden Werken zusammen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir durch profilierte Arbeit und verstärkte Mobilisierung neue Spenderinnen und Spender ansprechen werden.

Heks-Direktor Peter Merz, 56

Der Kulturingenieur ist seit elf Jahren für das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz (Heks) tätig. Zunächst arbeitete er als Abteilungsleiter für Afrika und Lateinamerika, vier Jahre später stieg er zum Bereichsleiter der Auslandarbeit und Mitglied der Geschäftsleitung auf. Zuvor hatte Merz für das Hilfswerk Helvetas gearbeitet und war als Berater tätig. Das Heks hat im Jahr 2018 rund 66 Millionen Franken eingenommen.