Recherche 30. März 2020, von Constanze Broelemann

Was Bündner Bauern heute umtreibt

Landwirtschaft

Die Auflagen sind hoch, die Konsumenten anspruchsvoll. Wie realistisch sind die Forderungen nach kleingewerblichen Strukturen oder derTrinkwasserinitiative? Ein Realitätscheck.

«Ich ernte, was ich säe», so heisst es im Volksmund. Auch die ökumenische Fastenkampagne hat sich dem Thema Saatgut verschrieben. Der Wunsch ist, weltweit die Vielfalt in der Landwirtschaft zu erhalten und kleingewerbliche Strukturen zu stärken. Im Realitätscheck erzählen Madlaina Held, Junglandwirtin aus Malix, und Dominic Pfluger, junger Landwirt in Salouf, wie sie mit den Ansprüchen an die heutige Landwirtschaft umgehen.

Strenge Tierschutzauflagen
«Mein Beruf ist nicht nur ein Beruf, es ist eine Leidenschaft», sagt die 20-jährige Madlaina Held. Die junge Frau hat die dreijährige Ausbildung zur Landwirtin auf verschiedenen Bündner Bauernbetrieben absolviert. Sie arbeitet für einen Berner Lohnunternehmer und ab und zu auf dem elterlichen Betrieb in Malix. Dort hat ihr Vater einen Betrieb mit siebzig Mastkälbern und produziert Fleisch für das Label «Bio Weiderind». Als Bio-Suisse-Betrieb hat der Hof strenge Umwelt- und Tierschutzauflagen. Doch diese Auflagen sind für einige Landwirte immer noch zu wenig. Zum Beispiel für den 34-jährigen Dominic Pfluger. Der unterstützt die sogenannte «Trinkwasserinitia­tive». Die Initianten fordern, dass nur noch Landwirtschaftsbetriebe mit Direktzahlungen unterstützt werden, die keine Pestizide einsetzen, die in ihrer Tierhaltung ohne prophylaktischen Antibiotikaeinsatz auskommen und die nur so viele Tiere halten, wie sie ohne Futtermittelimporte ernähren können.

Mehr Druck auf die Betriebe
Pfluger, der anders als Madlaina Held keine klassische Ausbildung zum Landwirt gemacht hat, ist ein Vertreter der extensiven Landwirtschaft. Er will den eigenen Betrieb mit seinen 14 Milchkühen, 5 Jungtieren, ein paar Kälbern und 34 Hektar landwirtschaftlicher Fläche in Zukunft so umstellen, dass er kein Kraftfutter mehr zukaufen muss und nur das verkauft, was sein Betrieb hergibt. Anderer Meinung ist Madlaina Held: «Mit der Trinkwasserinitiative würde der Druck auf uns Landwirte noch höher. Schon jetzt müssen wir Fleisch importieren, um die Schweizer Bevölkerung zu ernähren», sagt die Präsidentin der Junglandwirte Graubünden-Glarus. «Ein Systemwechsel müsste her, die Menschen müssten jetzt weniger Fleisch essen», meint jedoch der gelernte Sozialpädagoge Pfluger. Als Landwirt im alpinen Raum fallen seine Direktzahlungen einigermassen gut aus. Seine Kühe lässt er solange wie möglich im Sommer auf der Alp und führt sie im Winter jeden Tag aus dem Stall. «Mindestes zwanzig Prozent ihres Einkommens sollten die Schweizer für Lebensmittel ausgeben. Dann würden diese teurer und im besten Fall könnte ein Grossteil der Direktzahlungen eingespart werden.»
Für ziemlich unrealistisch hält Madlaina Held derartige Forderungen. Sie meint, dass die meisten Konsumenten nicht bereit wären, zum Beispiel unschönes oder wurmstichiges Gemüse zu kaufen, was der Fall ist, wenn die Verwendung von Pestiziden wegfallen müsste. «Ausserdem sind wir ein Grasland und haben daher vor allem Milch- und Fleischproduktion. Mit nur 35 Prozent Ackerland können wir naturgemäss nicht viel anderes anbieten.» Schon jetzt würden es immer weniger Betriebe schaffen, dem Importdruck standzuhalten.

Die Liebe  zum Beruf eint
Was beide eint, ist die Liebe zum Beruf. Das Draussensein, die Tiere, die Abwechslung. Gemeinsam ist ihnen aber auch, dass Landwirte heute nicht mehr ohne Subventionen leben können, gleich, ob sie intensiv oder extensiv arbeiten. Grundsätzlich sei es zwar schön, wenn eine Familie von dem, was sie auf ihrem Hof erwirtschaftet, leben könne, sagt Held. Die Realität sehe aber anders aus.Dominic Pfluger will es versuchen und seinen Hof in Zukunft so umstellen, dass er noch diverser ist;   mit Beeren, Käse und Fleisch. Würden das alle Bauern so machen, müsste die Gesellschaft entweder ihren Konsum ändern oder es würde noch mehr Nahrung importiert werden.