Recherche 18. Januar 2022, von Constanze Broelemann

«Öpadia passieren halt so Sachen»

Literatur

Die geplante Autobahnkirche an der A13 bei Andeer kommt im Buch zweier Bündnerinnen vor. Warum erzählen Martina Caluori und Lea Catrina im Interview.

War die Idee, eine Autobahnkirche an der A13 in Andeer zu bauen, Anlass für Ihr Buch?
Lea Catrina: Nein, gar nicht. Das Buch ist eigentlich im Rahmen einer Auftragsarbeit für einen Verlag für moderne Mundarttexte entstanden. Mir war dann schnell klar, dass das Buch in Andeer spielen sollte. Andeer zeigt für mich das «echte Graubünden». Ich bin zwar in Flims aufgewachsen, aber meine Mutter ist aus Andeer, wo ich oft bei meiner Gossmutter war. Flims ist einfach viel touristischer, und in Andeer ist im positiven Sinn die Zeit ein wenig  stehen geblieben. Die Autobahnkirche ist ein aussergewöhnliches Projekt, das die Dorfgemeinde ja tatsäch­lich ein wenig spaltet. Das Sujet mit der Gemeindeversammlung im Dorf hat einfach sehr gut in meine Geschichte gepasst.

Ab und zu lassen Sie den Pfarrer auf­treten, warum?
Catrina: Juli, die Protagonistin des Buches, ist eine sehr gläubige Frau. Daher ist der Kirchenbesuch ein The­ma. Die Kirche und die Pfarrperson sind in so einem Dorf immer noch ein Fixpunkt.

Können Sie den Prozess des Schreibens schildern?
Catrina: Ich habe viel Zeit in Andeer verbracht und bin Teil der Gemeinschaft. Vieles sind Erfahrungen, die ich in den letzten dreissig Jahren ge­sammelt habe. Menschen, die schrei­ben, fangen Momente ein und versuchen sie in einen anderen Kontext zu bringen, um eine stärkere Wirkung zu erzeugen.
 
Gilt das auch für die Lyrik, die in dem Buch vorkommt?
Martina Caluori: Ja, ich habe die Momente, die Szenen in dem Buch verdichtet. Meine Lyrik unterstreicht die Handlung und öffnet zugleich  eine weitere Erzählebene. Ich kon­nte die Figuren stark spüren und entwickelte daraus meine Texte. Es ist aber das erste Mal, dass ich in Churer Mundart gedichtet habe.

Dialekte spielen eine grosse Rolle in Ihrem Buch. Eine Hommage an die Mundart?
Catrina: Ich wollte abbilden, wie es ist. In Andeer treffen sich eben Leute mit Churer, Rheinwalder oder Schamser Dialekt. Eigentlich müsste ich noch Italienisch dazunehmen. Italien ist eben sehr nah. Mich fasziniert, dass die Schweiz trotz ihrer Grösse so viele Dialektregionen erhalten hat.

Am Ende gewinnt Juli nochmal eine Liebe und verliert sie wieder. Ist das nicht schade?
Caluori: So ist das Leben. Eigentlich ist die Erzählung tragisch, und trotzdem ist es Lea gelungen, humorvolle Momente einzufangen.
Catrina: Es wäre doch zu kitschig ge­wesen, wenn sich alles in einem Happy End aufgelöst hätte. Und den­noch hat die Begegnung bei Juli etwas Bleibendes hinterlassen. Verlust gehört doch zum Leben dazu.

Wie kommen Sie auf den Titel «Öpa­­dia»?  
Catrina: Als Martina und ich zusammensassen, haben wir unsere liebsten Bündner Wörter aufgeschrieben, und siehe da, wir hatten beide «öpadia». Ein cooles Wort, manchmal sagt man es am Anfang und manchmal am Schluss. Und es ist ein Wort, das auch über den Kanton hinaus gebraucht wird. Es sind halt Sachen, die öpadia passieren. Ein Wort, das zu Juli passt. Sie ist eine wortkarge Person, und «öpadia» ist für sie stellvertretend für vieles.

Lea Catrina, 34

Catrina hat Mulitmediaproduction studiert und als Texterin in Werbung, Marketing und Journalismus gear­beitet. «Öpadia» ist ihr zweites Buch. Ihr drittes ist in Arbeit. Zurzeit wohnt sie im Keller ihrer Schwiegereltern. Bald geht sie mit ihrem Mann für ein Jahr nach San Francisco. «Öpadia» hat sie auf Hawaii fertiggestellt.

Martina Caluori, 36

Caluori lebt seit ihrem Studium der Publizistik und Filmwissenschaf-
ten als Texterin und Autorin in Chur und Zürich. Martina Caluoris Lyrik-
Debüt er­schien im Jahr 2019 und im Frühling 2022 kommt ihr Prosa-
Debüt heraus. Wenn sie nicht gerade schreibt, dann reist und surft sie
auch gerne mit ihrer Familie.