War die Idee, eine Autobahnkirche an der A13 in Andeer zu bauen, Anlass für Ihr Buch?
Lea Catrina: Nein, gar nicht. Das Buch ist eigentlich im Rahmen einer
Auftragsarbeit für einen Verlag für moderne Mundarttexte entstanden. Mir war dann schnell klar, dass das Buch in Andeer spielen sollte. Andeer
zeigt für mich das «echte Graubünden». Ich bin zwar in Flims
aufgewachsen, aber meine Mutter ist aus Andeer, wo ich oft bei meiner
Gossmutter war. Flims ist einfach viel touristischer, und in Andeer ist
im positiven Sinn die Zeit ein wenig stehen geblieben. Die
Autobahnkirche ist ein aussergewöhnliches Projekt, das die Dorfgemeinde
ja tatsächlich ein wenig spaltet. Das Sujet mit der Gemeindeversammlung im Dorf hat einfach sehr gut in meine Geschichte gepasst.
Ab und zu lassen Sie den Pfarrer auftreten, warum?
Catrina: Juli, die Protagonistin des Buches, ist eine sehr gläubige Frau. Daher
ist der Kirchenbesuch ein Thema. Die Kirche und die Pfarrperson sind in so einem Dorf immer noch ein Fixpunkt.
Können Sie den Prozess des Schreibens schildern?
Catrina: Ich habe viel Zeit in Andeer verbracht und bin Teil der Gemeinschaft.
Vieles sind Erfahrungen, die ich in den letzten dreissig Jahren
gesammelt habe. Menschen, die schreiben, fangen Momente ein und
versuchen sie in einen anderen Kontext zu bringen, um eine stärkere
Wirkung zu erzeugen.
Gilt das auch für die Lyrik, die in dem Buch vorkommt?
Martina Caluori: Ja, ich habe die Momente, die Szenen in dem Buch verdichtet.
Meine Lyrik unterstreicht die Handlung und öffnet zugleich eine weitere Erzählebene. Ich konnte die Figuren stark spüren und entwickelte
daraus meine Texte. Es ist aber das erste Mal, dass ich in Churer
Mundart gedichtet habe.
Dialekte spielen eine grosse Rolle in Ihrem Buch. Eine Hommage an die Mundart?
Catrina: Ich wollte abbilden, wie es ist. In Andeer treffen sich eben Leute mit
Churer, Rheinwalder oder Schamser Dialekt. Eigentlich müsste ich noch
Italienisch dazunehmen. Italien ist eben sehr nah. Mich fasziniert, dass die Schweiz trotz ihrer Grösse so viele Dialektregionen erhalten hat.
Am Ende gewinnt Juli nochmal eine Liebe und verliert sie wieder. Ist das nicht schade?
Caluori: So ist das Leben. Eigentlich ist die Erzählung tragisch, und trotzdem
ist es Lea gelungen, humorvolle Momente einzufangen.
Catrina: Es wäre doch zu kitschig gewesen, wenn sich alles in einem Happy End
aufgelöst hätte. Und dennoch hat die Begegnung bei Juli etwas
Bleibendes hinterlassen. Verlust gehört doch zum Leben dazu.
Wie kommen Sie auf den Titel «Öpadia»?
Catrina: Als Martina und ich zusammensassen, haben wir unsere liebsten Bündner
Wörter aufgeschrieben, und siehe da, wir hatten beide «öpadia». Ein
cooles Wort, manchmal sagt man es am Anfang und manchmal am Schluss. Und es ist ein Wort, das auch über den Kanton hinaus gebraucht wird. Es
sind halt Sachen, die öpadia passieren. Ein Wort, das zu Juli passt. Sie ist eine wortkarge Person, und «öpadia» ist für sie stellvertretend für vieles.