«Wesentlich für die Zukunft ist die gemeinsame Gemeindeleitung.» Das sagte der Pfarrer von Sils, Silvaplana und Champfèr, Urs Zangger, während seines Gesprächs mit «reformiert.» im vergangenen Sommer. Nun hat er seine 25-jährige Laufbahn im Oberengadin überraschend beendet. «Die unterschiedliche Auffassung von einer gemeinsamen Gemeindeleitung» nannte der Pfarrer als Grund für seine Kündigung auf diesen Sommer. Damals sagte Zangger: «Ich nehme mindestens zwei Kulturen wahr: eine vom politischen Denken und eine vom Kirchenverständnis geprägte. Die Probleme hängen damit zusammen.» Für ihn sei sein Entschluss zu gehen das Ergebnis einer vierjährigen Geschichte.
Bedauern an der Basis
In den vergangenen drei Jahren haben fünf Pfarrpersonen und ein Sozialdiakon die 2017 fusionierte Gemeinde Refurmo verlassen. Das wirft von verschiedenen Seiten Fragen auf. Auch an den Vorstand der Kirchgemeinde. «Schon einige gute Personen sind gegangen. Dass Sozialdiakon Hanspeter Kühni Samedan verliess und nun auch Pfarrer Urs Zangger geht, tut mir weh», sagt Andrea Urech aus Samedan. Er sehe sich als Beobachter dessen, was in der Kirchgemeinde laufe, und spricht von einer autoritären Personalführung im Kirchgemeindevorstand. «Ich habe gesehen, was Kühni, Zangger und andere gute Leute hier geleistet haben.»
Ähnlich äussert sich Peter Meuli aus Sils. «Ich bin sehr enttäuscht, dass man den Pfarrer so ziehen lässt. Er war ein guter Seelsorger.» Für Meuli stimmt auf der Vorstandsebene etwas nicht: «Alle schweigen», sagt er und betont, dass er überlege, unter diesen Umständen aus der Kirche auszutreten. «So geht man nicht mit Menschen um.» Auch die Pontresinerin Carola Bezzola macht sich Sorgen um die aktuelle Situation von Refurmo. Anlässlich der Kirchgemeindeversammlung im letzten Winter war sie auf die personelle Situation der Kirchgemeinde zu sprechen gekommen: «Wenn so viele Pfarrleute die Organisation in kurzer Zeit verlassen, kann etwas nicht stimmen.» Sie regte an, eine Begleitgruppe aus Kirchgemeindemitgliedern zu gründen, die die personelle Situation von aussen betrachten.
Bezzolas Idee wurde vom Vorstand nicht weiterverfolgt. Generell fühle sie sich schlecht informiert. Dass Pontresina als zweitgrösste Gemeinde des Verbunds keine eigene Pfarrperon mehr bekommen solle, sei ihr bloss auf Anfrage mitgeteilt worden. Ausserdem hat sich die Frau des langjährigen Kirchenvorstands von Pontresina geärgert, dass ihr nicht erlaubt worden sei, eine Veranstaltung zur Konzernveratwortungsinitiative in den Räumen ihrer Kirchgemeinde abzuhalten. «Der Kirchenvorstand darf so etwas nicht einfach verordnen», sagt sie, «Kirche hat mit Gesellschaft zu tun und muss auch Räume für politische Diskussionen offen halten.»
Roman Bezzola, früheres Mitglied in der Projektleitung von Refurmo meint, dass der Vorstand offenbar «grosse Dialogschwierigkeiten» habe. Die Kündigung des langjährigen Pfarrers Urs Zangger habe ihn überrascht und auch erschüttert. «Leer und ratlos» fühle er sich heute. Wieder kreise das Problem um die Personalführung.
Man will sich Zeit lassen
Vorstandspräsident Gian-Duri Ratti will sich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht zur Kündigung Zanggers äussern. Doch der Vorstand bedauere den Weggang sehr. «Wir waren mit der Arbeit von Pfarrer Urs Zangger immer zufrieden», sagt Ratti. Den Vorwurf, dass der Vorstand der gemeinsamen Gemeindeleitung, also einer von Vorstand und Pfarrpersonen gemeinverantwortlich geführten Kirchgemeinde, zu wenig Rechnung trage, weist er zurück. Die Kündigungen erfolgten aus unterschiedlichen persönlichen Gründen. Vorstand und Konvent (Pfarrpersonen und Diakone) hätten sich mehrmals ausgetauscht und Themen um die Revision der Kirchgemeindeordnung besprochen. Der Vorstand werde sich nun die nötige Zeit nehmen, die Stelle neu zu besetzen. Man ist nach wie vor überzeugt vom Projekt Refurmo und einer gemeinsamen Lösung. Das ist Roman Bezzola ebenfalls. Dazu brauche es jetzt aber eine baldige ausserordentliche Generalversammlung unter extern moderierter professioneller Leitung. «Meine Kritik zielt nicht auf einzelne Köpfe, sondern dahin, dass die Haltung auf der Führungsebene offener und einladender wird», so Bezzola. Der Vorstand als Kollektiv sei jetzt in der Pflicht. «Es geht darum, dass die Bevölkerung ihr Vertrauen in Refurmo wieder stärken kann.»