Recherche 27. April 2020, von Rita Gianelli

Sich auch nahe fühlen, ohne wirklich beieinander zu sein

Gemeinden

Gottesdienste, Beerdigungen, Hochzeiten sind durch die Corona-Pandemie erschwert. Wie Kirche trotzdem Trost spendet und Zusammenhalt schafft, zeigt ein Streifzug durch den Kanton.

Sich besinnen bei der Meditation in der Natur

Jeden Morgen um sechs sitzt Pfarrerin Suzanna Hulstkamp am Ufer eines Bergsees. «Die Eingebung hatte ich in der Nacht», sagt die Spitalseelsorgerin der psychiatrischen Kliniken Beverin und Waldhaus.  «Wir alle sind mit allem verbunden.» Mit ihrer persönlichen Morgenmeditation will sie der Welt in geistiger Verbundenheit präsent sein. «An einem Ort, der uns die Stille, die Ruhe und die Schöpfung so wunderbar sichtbar macht.» Daran teilhaben können alle Menschen im Geist, mit einer eigenen Meditation, an einem selbst gewählten Ort. Suzanna Hulstkamp rät: «Suche einen Raum der Würde zu halten, im Gebet für alles, was in diesem Wandel vergehen und neu wird.» Täglich fotografiert sie den selben Ort zur selben Zeit, als Dokumentation dafür, dass nichts im Leben so bleibt, wie es einmal war.

Eine ökumenische Osterzeitung für alle

Während der Online-Pastoralkonferenz des Kolloquiums Nid dem Wald entstand die Idee: Lasst uns doch gemeinsam eine Zeitung zu Ostern für unsere Gemeindemitglieder machen und auf diese Weise Ermutigendes und Schönes in die Haushalte der Menschen am Heinzenberg und im Domleschg liefern. Was zunächst Idee der reformierten Pfarrpersonen war, begeisterte auch die katholischen Kollegen. Innerhalb kurzer Zeit entstand ein ökumenisches Projekt. Jede und jeder schickte einen Beitrag. Das 60 Seiten starke A4-Büchlein beinhaltet Texte unter anderem über das Hohe Lied der Liebe, Bilder von Kindern, Statements von Konfirmanden, Gottesdienstabläufe für zu Hause, ein Comic zu Ostern, Betrachtungen des Priesters zu Covid-19 und mehr. www.kolloquium-nid-dem-wald.ch

Und täglich grüsst das Alphorn neu

«Was würde mir gut tun?», fragte sich Daniel Hanselmann, Pfarrer in Sagogn, nachdem der Bundesrat Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ausgesprochen und das Versammlungsverbot verhängt hatte. Musik war seine Antwort. Seither ertönt in Sa­gogn zweimal täglich der Segen für alle aus der Kirche. Morgens um elf, ergänzt mit Morgenliedern aus dem Kirchengesangsbuch, und abends um sechs. Gespielt vom Pfarrer auf seinem Alphorn. Der abendliche «Gruss in die Nacht», sagt Daniel Hanselmann, «kam auch schon mal in Form eines Blues daher, weil ich gerade den Blues hatte.» Spielt der Pfarrer den Segen, steht die Kirchentür weit offen. Im Hintergrund brennt eine Kerze. Die täglichen Segnungen sind inspiriert von der klösterlichen Tradition der Mor-gen- und Abendandachten und auch auf Facebook zu finden.

Bildungsparcours in der Kirche

In der Dorfkirche in Fideris sind derzeit fünf verschiedene Stationen eingerichtet. Es gibt eine für Kinder mit Hörgeschichten und Rätselheften. In der Bastelecke liegen Anleitungen für Schmetterlinge und die Kirchende­koration für die Zeit bis Pfingsten. An der Gebetswand können Besucher Anliegen deponieren und an der Sta­tion «Brot für alle» ein Samentäschli und aktuelle Information über die Kampagne beziehen. Dem Wort ist eine fünfte Station gewidmet. Hier liegen Bibellesetipps und «Atempausen», Text­impulse zum Nachdenken, auf. Wie andernorts läuten auch in Fideris sonntags die Glocken trotz fehlenden gemeinsamen Gottesdienstes. Pfarrerin Elisabeth Anderfuhren sitzt wie gewohnt sonntags an der Orgel. «Ich habe gemerkt, dass sie Menschen es schätzen, wenn Musik aus der Kirche ertönt», sagt sie.

Ein Osterbaum von Kindern geschmückt

Täglich gibt es in Trin neu einen theologischen Impuls, ein Gedicht, eine Kurzgeschichte und eine Kurzpredigt auf der kircheneigenen website. Um den Menschen den Besuch zur Kirche über die Ostertage zu ersetzen,  hatte Pfarrerin Anja Felix eines Tages die Idee vom gemeinsam geschmückten Osterbaum. Kinder bringen eine Osterdekoration selbst am Osterbaum vor der Kirche an. Wer daran vorbeigeht, betrachtet, was andere gemacht haben. Bunte selbst bemalte Oster­eier, Papierhasen und farbige Stoffbänder. «Auch so sind wir in Gedanken miteinander verbunden.» Vorausschauend auf die bald zurückkehrende Normalität, basteln Primarschulkinder daheim an einem Drachen. «Im Sommer lassen wir dann gemeinsam die Drachen steigen und erinnern uns an die Zeit, in der das nicht möglich war.»

Jugendliche gestalten Bilder für Senioren

In Davos Monstein hat Pfarrerin Claudia Bollier – wie die meisten Pfarrpersonen – die Kommunikation mit ihren Gemeindemitgliedern auf das Telefon und den Briefverkehr verlegt. Mit den Konfirmanden ist sie über Whatsapp und Facebook verbunden, wo sie ­ihnen «Challenges», also Aufgaben, stellt. «Natürlich alles freiwillig», sagt Bollier. Und für Ostern erhielten sie eine ganz besondere «Challenge». Sie sollen ein Zeichen setzen. Das in Form eines mit Naturmateria­lien gestalteten Bildes, draussen in der Natur oder in Form eines ‹gefundenen Bildes›. Die Bilder wurden fotografiert und mit dem Osterbrief an alle verschickt. Eine Jury aus verschiedenen Senioren und Seniorinnen wählte die drei schönsten Bilder aus. Zu gewinnen gab es ein Eis. «Die Aktion signalisiert älteren Menschen in unserem Dorf: Wir vergessen euch nicht.»

Verbunden beim Abendmahl daheim

«Ostern ist ansteckende Hoffnung», sagt Josias Burger, Pfarrer in Trimmis.  Ausdruck dieser Hoffnung sei für ihn immer das gemeinsam eingenommene Abendmahl. «Die Gemeinschaft fällt nun weg», sagt Josias Burger, «aber wenn wir am selben Tag zur selben Zeit das Abendmahl einnehmen, sind wir einander ebenso verbunden.» Den Gedanken hat er umgesetzt. So verschickte der Pfarrer mit seinem Osterbrief eine Anleitung zu einer kleinen Liturgie daheim. Am Ostersonntag, als um zehn Uhr morgens die Glocken läuteten, konnten die Gemeindemitglieder daheim eine Kerze anzünden, die im Brief mitgeschickten Bibelworte lesen, das Unser-Vater beten, ein Brot brechen und Wein trinken. Die Osterkerze brannte derweil allein in der Kirche, dazu spielte die Organistin Ostermusik. Wer will, kann das on-line nachhören.

Der Pfarrer als Pöstler unterwegs

Mit der Schuhschachtel unterm Arm ist Pfarrer Heinz-Ulrich Richwinn aus Zizers dieser Tage im Dorf unterwegs. Jedem seiner Konfirmanden und Konfirmandinnen bringt er die Box, samt Bibel und Arbeitsanleitung persönlich vorbei. «So bleiben wir auch ohne Unterricht in Verbindung», sagt er. Ihre Aufgabe ist es, in der Schuhschachtel eine Jesus-Geschichte nachzustellen. Ob mit Playmobil-Figuren, Steinen oder anderen Materialien, der Fantasie der Jugendlichen, so Richwinn, sei für das freie Gestalten keine Grenzen gesetzt. Um auch der Kirchgemeinde die Kunstwerke der Jugendlichen zugänglich zu machen, plant Heinz-Ulrich Richwinn eine Ausstellung mit den «Storys in the box». Ob diese im Rahmen einer später stattfindenden Konfirmation oder anlässlich einer Gemeindeversammlung stattfindet, ist noch offen.