Recherche 16. Januar 2023, von Anouk Holthuizen

Der Reformprozess im Aargau wird heftig diskutiert

Reformprozess

Der erste «Mitreden!»-Abend der Aargauer Landeskirche stiess auf grosse Resonanz. 100 Personen diskutierten intensiv Thesen zur Zukunft

In einem Punkt waren sich alle einig: Die Kirche muss sich verändern, wenn sie überleben will. Bloss wie? Der erste «Mitreden!»-Anlass der Reformierten Kirche Aargau am 11. Januar in der Bauschule Unterentfelden, zeigte, dass es unzählige Knackpunkte gibt und noch zahllosere Meinungen. Sollen Gottesdienste weiterhin von Pfarrerinnen und Pfarrern gestaltet werden oder besser durch Freiwillige? Welche Inhalte müssen vermittelt werden – und was sind denn eigentlich die jetzigen Inhalte? Was sind die Bedürfnisse der Klientel und welche müssen unbedingt gedeckt werden? Braucht es noch Kirchenräume mit klassischer Kirchenbankausrichtung? Soll die Orgel weiterhin das Kircheninstrument bleiben, obwohl Orgelmusik eine winzige Nische im Musikmarkt darstellt? 

100 Leute, 100 Meinungen
Der zweite öffentliche Anlass, den die Aargauer Landeskirche im Rahmen des Prozesses «Kirchreform 26/30» organisiert hatte, stiess auf Resonanz: Im Stil der Methode «World Café» diskutierten 100 Frauen und Männer äusserst angeregt während rund zwei Stunden an 14 Tischen verschiedene Thesen, die Arbeitsgruppen vorbereitet hatten. Sie betrafen die Inhalte und Botschaften der Kirche, die Handlungsfelder, die Dienste und das Personal, die Mitgliedschaft, Strukturen, Digitalisierung und Immobilien und Finanzen. Mitmachen durfte jeder, vor Ort waren aber vor allem kirchliche Mitarbeitende und vereinzelt interessierte Mitglieder der Kirchgemeinden. Punkte, die ihnen wichtig schienen, notierten sie auf den Tischtüchern aus Papier, insgesamt mussten sie vier Mal den Tisch wechseln und über neue Thesen diskutieren.

Am Ende nannten die Moderatoren die wichtigsten oder überraschendsten Diskussionspunkte. Etwa: «Wir müssen den kleinsten gemeinsam Teiler benennen können.» Oder: «Wir brauchen eine Diskussionskultur mit mehr Wertschätzung und Liebe zum Menschen.» Oder: «Wir müssen mit den Sonntagsgottesdiensten aufhören und die Kirchenmitglieder viel mehr in die Gestaltung des kirchlichen Lebens einbinden.» 

Die Zukunft liegt in den Sternen
Der Abend machte deutlich: Die Traditionen in der Kirche sind unglaublich stark verankert. Sie zu verändern braucht Mut und eine gewisse Einigkeit. Die Vielfalt ist zwar ein sympathisches Merkmal der reformierten Kirche, doch könnte sie im Findungsprozess auch eine Hürde darstellen. Wie es weitergeht, wird sich – zumindest im Aargau – in den kommenden Jahren zeigen. Die gesammelten Inputs des Mitreden!-Abends bereiten die Arbeitsgruppen nun auf, um sie im April dem Kirchenrat vorzulegen. Dieser wird in einer Retraite im Mai Visionen entwickeln, die an einer öffentlichen Online-Konferenz am 21. September und an einer Gesprächssynode im Frühling 2024 diskutiert werden. Beschlüsse fallen dann 2025 und danach beginnt die Umsetzung. Was dies sein wird, wissen im Moment nur die Götter. 

Auch Sie können mitreden

Zweiter «Mitreden!»-Anlass am 26. Januar, 18.30 Uhr im Reisezentrum Windisch. Anmeldungen unter www.ref-ag.ch/veranstaltungen