Das Ferienland Schweiz und mit ihm die Tourismusbranche liegen nach schwierigen Corona-Jahren im Allzeithoch. 2023 wurden erstmals über 40 Millionen Logiernächte verzeichnet. 2024 wuchs diese Zahl noch einmal um drei Millionen. Mancherorts spricht man bereits von Overtourism und beklagt den Dichtestress.
Eher noch ein Nischenprodukt stellt der spirituelle Kulturtourismus dar. Mit «Swiss Religious Heritage: Sakrales Kulturerbe erleben» startet nun ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, welches das Angebot rund um Kirchen, Klöster, Pilgerwege und sakrale Kulturlandschaften für den Tourismus besser nutzbar und sichtbarer machen soll.
Am Ursprung dieser Idee steht der Verein Kirchen und Tourismus Schweiz (KTCH), der auch als Projektträger fungiert. Im September hat das Staatssekretariat für Wirtschaft 360 000 Franken für das Projekt bewilligt, das Geld stammt aus dem Förderprogramm Innotour.
«Nun werden in einer ersten Phase bis kommenden Mai die Situation und Bedürfnisse analysiert», erklärt der Ideengeber und KTCH-Präsident Michael Landwehr. Der reformierte Pfarrer brennt schon seit seiner Jugend für das Thema.
Mit der Analyse soll herausgefunden werden, welche Informationen auf der Angebotsseite vorhanden sind und was kulturell und religiös interessierte Touristen finden wollen. Der Verein arbeitet dafür mit einer Beratungsfirma und der Theologischen Hochschule Chur zusammen, die das Projekt wissenschaftlich begleitet.
Steigende Nachfrage - strukturelle Lücken
Landwehr sieht den spirituellen Tourismus und mit ihm das Entdecken des sakralen Kulturerbes als Trendbranche. Eine steigende Nachfrage treffe aber «auf strukturelle Lücken». Es fehle oft das entsprechende Wissen bei den Institutionen, das gelte für Tourismusbüros ebenso wie für viele Kirchgemeinden.
«Ein mögliches Ziel des Projekts in seiner zweiten Phase ist es daher, die unterschiedlichen Player zusammenzubringen und so die Kräfte zu bündeln», sagt Landwehr. Mit anderen Worten: Das Projekt soll unter anderem ein Netzwerken auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene anstossen und für das Thema insgesamt sensibilisieren.
Kirchentour mit dem Velo
Grundsätzlich zeigt sich der Verein mit Blick auf die derzeit laufende Analyse weitestgehend ergebnisoffen, was die konkreten Handlungsfelder betrifft. Grosses Potenzial ortet Landwehr jetzt schon im Bereich des digitalen Angebots: «Es gibt in der Schweiz kein datenbasiertes Material zur Schnittmenge von Kirchen und Tourismus.»
Die Vision von Landwehr und dem KTCH ist es, viele einzigartige Orte und Angebote für ein breiteres Publikum als bisher erlebbar zu machen. Und dazu gehört nicht nur die kunsthistorisch wertvolle Kapelle oder ein alter Pilgerweg, sondern auch die spirituelle Wanderung von Berggipfel zu Berggipfel, eine Kirchen-Velotour oder ein Gottesdienst auf der grünen Wiese. Dabei will der Verein explizit auf einen nachhaltigen Tourismus setzen, was jedoch mit den ohnehin schon steigenden Gästezahlen schwer zu vereinbaren scheint. Ängste vor der Kommerzia-lisierung seien «nicht unberechtigt», räumt Landwehr ein. Der Fokus liege darum auf dem ressourcenschonenden Ganzjahrestourismus.
Ab nächstem Frühsommer geht es dann in die Implementierungsphase, die gemäss finanziertem Projektrahmen bis Ende des nächsten Jahres laufen wird.
