Die Architektin der Weihnachtsfreude

Diakonie

An Heiligabend sorgt Milena Hänni dafür, dass Mensche, die im Leben oft zu kurz kommen, Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren.

Während andere hektisch letzte Geschenke einpacken, den Christbaum mit Kugeln und Kerzen, Lametta und Sternen schmücken, dann steht Milena Hänni längst schon im Einsatz. Die selbstständige Immobilienbewirtschafterin und Kinesiologin mit einer eigenen Praxis engagiert sich seit 2019 ehrenamtlich für die Caritas-Weihnachtsfeier im Volkshaus.

Vor einigen Jahren stellte sie fest, dass sie mit dem Heiligabend wenig anzufangen wusste, da ihre Familie traditionell am 25. Dezember feiert. Auf der Suche nach einer sinnvollen Aufgabe stiess sie auf ein Inserat der Caritas Zürich – damit begann ihre Weihnachtsmission. Ihr erster Einsatz verlief pandemiebedingt anders als geplant: Eine Feier war nicht möglich, dafür wurden Essenspakete verteilt. Trotzdem war es erfüllend. 

«Das Wertvollste, was wir schenken können, ist Zeit.» Seitdem beginnt ihr Heiligabend frühmorgens. Sie koordiniert die über 60 Helferinnen und Helfer, prüft Listen, kontrolliert die Abläufe – Hänni hat alles im Griff. 

Sichtbar werden

Um 18 Uhr werden im Volkshaus die Türen geöffnet. Die gegen 300 Gäste erwarten ein feierlich geschmückter Saal und ein dreigängiges Menü sowie Überraschungen. Im letzten Jahr war es eine Zaubershow. «Bei den Gästen, die aus verschiedenen Ländern und Kulturen kommen, hat Nonverbales etwas Verbindendes.»

Für viele der armutsbetroffenen Familien und Alleinstehenden sei es das einzige Fest des Jahres – ein starker Kontrast zur glamourösen Welt der Bahnhofstrasse, die nur ein paar Strassen entfernt ist. Die Kinder dürfen auf der Bühne zu traditionellen Weihnachtsliedern eines der Geschenke auspacken, die im Vorfeld gespendet wurden.

«Jedes Detail zählt», sagt Hänni, die sich selbst als Perfektionistin beschreibt. Pedantisch ist sie aber nicht, für sie steht der Mensch immer im Mittelpunkt. Sie wolle den Armutsbetroffenen eine Bühne geben. «Sie haben ein weisses Tischtuch, ein feines Essen und Aufmerksamkeit verdient, auch wenn viele Mühe damit haben, dies anzunehmen.» Gemäss Schätzungen der Caritas Zürich leben im Kanton Zürich über 100 000 Armutsbetroffene. «Hier werden sie sichtbar, erfahren Wertschätzung», sagt Milena Hänni.

Die Dankbarkeit, die sie als Helferin bekomme, berühre sie jedes Jahr aufs Neue. «Die Freude über die gestrickten Socken, die jeder Gast als Geschenk erhält, zeigt, wie wenig es manchmal braucht, um jemanden glücklich zu machen.» 

Blockaden lösen

Hänni hat viele Seiten, auch unkonventionelle. In Birmensdorf, wo sie wohnt, organisiert sie zur Chlausfeier einen Glühweinstand und kümmert sich mit weiteren «Ängeli» um den Fahrdienst für die Samichläuse. Sie ist Geschäftsfrau, Organisationstalent, leidenschaftliche Therapeutin.

Die Arbeit als Kinesiologin, einer ganzheitlichen Methode zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte, spiegelt sich in ihrer Ausstrahlung wider. «Es geht darum, Blockaden zu lösen: körperlich, emotional und energetisch», erklärt sie.

Lässig steht sie neben einer Säule. «Wer hat schon die Möglichkeit, an einem so würdigen Ort Weihnachten zu feiern?», fragt sie und Vorfreude blitzt in ihrem Gesicht auf. Ihre Arbeit endet jedoch noch nicht, wenn die Feier vorbei ist.

Nachdem die letzten Gäste gegangen sind und der Saal aufgeräumt ist, beginnt sie schon, Pläne für das kommende Jahr zu schmieden. «Wie können wir das Fest noch schöner gestalten? Welche Menschen könnten wir zusätzlich erreichen?» Erst wenn sie spätabends ins Bett sinke, kehrten die Eindrücke des Abends zurück. Das Engagement habe sie achtsamer gemacht – präsenter für die Anliegen anderer und sensibilisiert für die oft verborgene Realität der Armut.