Der gehetzte Alltag der Heldinnen

Film

In der Corona-Pandemie von Balkonen bejubelt, stehen Pflegende auch heute noch unter starkem Druck. Was das im Alltag bedeutet, zeigt «Heldin» von Petra Volpe.

Im Bus fährt Floria am Mittag zur Spätschicht ins Kantonsspital. Hinter ihr liegen ein paar Stunden Freizeit, ein Zoobesuch mit der Tochter, ein Schnäppchen im Ausverkauf. Die Pflegefachfrau ist entspannt.
Durch lange dunkle Gänge begleitet man Floria in die enge Garderobe ihrer Station. Dort zieht sie die günstig erworbenen neuen Turnschuhe an. Und erfährt, dass ihre Schicht komplett unterbesetzt ist. Mit nur einer Kollegin und einer Auszubildenden wird sie sich in den nächsten Stunden um 26 Menschen kümmern müssen. Unbeirrt geht sie zur Schichtübergabe. 

Der neuste Film der Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe ist Fiktion, zeigt aber die anstrengende Realität Zehntausender Menschen in der Schweiz. Für «Heldin» arbeitete Volpe eng mit Pflegefachfrauen zusammen. Entstanden ist eine einfühlsame Hommage an die Pflegenden und ein Plädoyer für die dringend nötigen Massnahmen gegen den Personalnotstand, dessen Ausmass im Abspann beziffert wird: Bis zum Jahr 2030 werden in der Schweiz 30?000 Pflegefachkräfte fehlen. Bereits nach vier Jahren steigen 36 Prozent der ausgebildeten Pflegenden wieder aus dem Beruf aus.

Maximales Multitasking 

Der Film verfolgt die Arbeit von Floria akribisch. Routiniert und gewissenhaft erledigt und protokolliert die Pflegefachfrau die vielen medizinischen Handlungen, beantwortet Anrufe von Angehörigen, koordiniert Termine, setzt Prioritäten, versucht zu delegieren und begegnet stets mitfühlend den Ticks, Sorgen und Beschwerden von Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen.

Berührend ist die Szene, als sich Floria trotz der Hektik ans Bett einer verwirrten, verzweifelten Patientin setzt und anfängt zu singen: «Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen am Himmel hell und klar.» Die alte Frau stimmt ein ins Lied und wird langsam ruhig. 

Während der Druck in der Spätschicht steigt, wird die Kameraführung schneller, die Filmmusik dramatischer. Und weil die Erzählung konsequent aus der Perspektive der Pflegefachfrau erfolgt, ist man nur schon als Zuschauerin spätestens in der Mitte des 90-minütigen Kinoerlebnisses fix und fertig. 

In der Rolle der Floria zeigt Leonie Benesch eine eindrückliche Leistung. Zur Vorbereitung begleitete die deutsche Schauspielerin Pflegende im Kantonsspital Liestal, um im Film auch mit medizinischen Handgriffen zu überzeugen. Die Innenszenen wurden im leer stehenden Ableger des Seespitals Horgen in Kilchberg gedreht, die Aussenansichten wurden beim Kantonsspital Bruderholz in Binningen aufgenommen. 

Überraschender Stressabbau 

Der Film besticht zudem durch die Dynamik. Die unterbesetzte Schicht ist lang. In diesem Ausnahmezustand passiert der erfahrenen Pflegenden ein Fehler. Spätestens da denkt man: Nun bricht Floria zusammen. Aber das tut sie nicht. Sie reguliert allerdings ziemlich unkonventionell ihren kaum zu bewältigenden Stress.
Als die Spätschicht vorüber ist, sitzt die Protagonistin in der Nacht im Bus heimwärts. Erschöpft, aber noch immer empathisch. Sie sagt und tut nichts Konkretes, das ihr Mitgefühl zeigen würde. Sichtbar wird es trotzdem. Die kurze, berührende Schlussszene sei hier allerdings nicht verraten.

Heldin. Regie: Petra Volpe. Schweiz, 2025, 92 Minuten. Kinostart: 27. Februar.