Er erfüllt Sterbenden letzte Wünsche

Abschied

Petar Sabovic holt mit seiner «Wunschambulanz» das Tabuthema Tod ins Leben. Er und sein Team machen letzte Herzenswünsche wahr. 

Am Ende des Lebens, sagt Petar Sabovic, sind die Wünsche bescheiden: Noch einmal im Zürichsee schwimmen und dabei die Sonne im Gesicht spüren. An der Trauung der besten Freundin dabei sein. Ein letztes Mal die Alphütte besuchen, die ein Leben lang Kraftort war. 

Die Wünsche sind zwar bescheiden, aber nicht einfach zu erfüllen. Denn die Menschen, die sich bei Petar Sabovic und seiner «Wunschambulanz» melden, liegen in Spitälern oder Pflegeheimen. Für sie ist eine längere Fahrt im Rollstuhl oder ein Tag ohne medizinische Betreuung nicht möglich. «Und da können wir helfen», sagt Petar Sabovic, der die Wunschambulanz im Jahr 2017 mit seiner Partnerin Natasa Stojanovic, Pflegefachfrau und Rettungssanitäterin, gegründet hat. 

Ein unerfüllter Wunsch

Der Verein besitzt zwei speziell ausgerüstete Autos. Die Fahrgäste reisen liegend auf einer Trage, auf der sie am Ziel auch sitzend transportiert werden können. Die über 500 Freiwilligen, die bei der Wunschambulanz angemeldet sind, arbeiten sonst als medizinische Fachpersonen oder Berufschauffeure. 

Petar Sabovic schaut auf den Zürichsee. Er hat den Ort für das Treffen gewählt, weil viele Wünsche mit Wasser zu tun haben. Auch der letzte Wunsch seines Vaters, der noch einmal das Meer in seiner Heimat Montenegro sehen wollte, aber nicht mehr transportfähig war. «Dass ich ihm diesen Wunsch nicht erfüllen konnte, hat mich lange beschäftigt», sagt Sabovic. 

Er arbeitete damals als TV-Aufnahmeleiter und betreute seinen Vater. Nach dessen Tod entdeckte er einen Bericht über einen Verein in den Niederlanden, der todkranken Menschen letzte Wünsche erfüllt. «Das muss bei uns in der Schweiz auch möglich sein, dachte ich.» 

Es war möglich, doch Sabovics persönlicher Preis dafür war hoch: Er steckte bei der Gründung sein Erbe in den Verein und wurde nach einer Krebserkrankung arbeitsunfähig. «Dafür habe ich etwas Sinnhaftes geschaffen.» Das Paar lebt vom Einkommen von Natasa, die 80 Prozent als Pflegefachfrau arbeitet.

Die Menschen sollen einfach noch einmal einen Glücksmoment erleben können.
Petar Sabovic

Über 600 letzte Wünsche haben Sabovic und sein Team bisher erfüllt. Kostenlos für die todkranken Menschen und ihre Familien. Der Verein finanziert sich aus Spenden, alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich. 

Wenn Petar Sabovic von den in Erfüllung gegangenen Wünschen erzählt, wird deutlich spürbar, dass ihn all die Schicksale bewegen. Einmal glänzen Tränen in seinen Augen. Unterwegs lässt er sich aber nie von seinen Emotionen mitreissen. «Die Menschen sollen einfach noch einmal einen Glücksmoment erleben können.» Auf der Rückfahrt werde es dann oft sehr still in der Ambulanz. «Ich glaube, in diesem Moment realisieren alle: Das war es jetzt. Als Nächstes kommt der Tod.» 

Immer wieder spüre er auf diesen Ausflügen auch eine starke Kraft. «Für mich existiert ganz sicher eine höhere Macht», sagt Petar Sabovic. Er glaubt, dass die Wunschambulanz das Sterben und den Tod etwas mehr in unsere Gesellschaft zurückholt. «Ich bin immer wieder irritiert, wie sehr wir dieses Thema tabuisieren.» 

Für mich existiert ganz sicher eine höhere Macht.
Petar Sabovic

Bei den ersten Wünschen, die er erfüllen wollte, stiess er auf Ablehnung: Eine Schifffahrtsgesellschaft lehnte den Transport «aus Sicherheitsgründen» ab, und ein todkranker Mensch durfte einen Zoo nur ausserhalb der regulären Öffnungszeiten besuchen. «Als ob das Sterben ansteckend wäre!», ruft Sabovic aus. Und räumt dann ein: «Ansteckend ist es ja schon. Früher oder später trifft es uns alle.» 

Er sei dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen. Nach der Diagnose habe er grosse Angst gehabt. Er selbst hat bis jetzt jedoch keinen letzten Wunsch. «Ich glaube, der kommt erst, wenn es wirklich zu Ende geht.»