Ein Getriebener im besten Sinn

Gleichstellung

HAZ – Queer Zürich erhielt den Gleichstellungspreis der Stadt. Dominik Steinacher, Co-Präsident, mahnt: Sichtbarkeit sei nötiger denn je. 

Im ersten Stock des Regenbogenhauses an der Zollstrasse 117, mitten im bunten Kreis 5 in Zürich, öffnet sich ein hoher Raum mit Sichtbetonwänden. Neben dem grossen Besprechungstisch befindet sich eine Kaffee-Ecke mit Sofa, Bücherregale voller queerer Literatur, an der Wand eine Regenbogenflagge.

«Viele dieser Bücher verschwinden in den USA gerade aus Schulbibliotheken», sagt Dominik Steinacher und deutet auf die Kategorie Kinder- und Jugendromane. «Hier sind sie für alle zugänglich. Und das muss auch so bleiben.» Draussen hat der Regen kurz nachgelassen, die Sonne bricht durch die grauen Wolken. Steinacher trägt Sweatshirt und Jeans, im linken Ohr gibt er mit dem kleinen Regenbogenstecker ein diskretes Statement ab. Seine Stimme ist ruhig, er wirkt zugänglich, sein Lächeln blitzt oft auf.

Rückschläge verhindern

Der 29-jährige Jurist beschreibt sich selber als offen, progressiv, sozial engagiert. Seit drei Jahren ist Steinacher im reformierten Kirchenparlament der Stadt Zürich. Und er ist Co-Präsident der HAZ – Queer Zürich, eines 1972 als Homosexuelle Arbeitsgruppe Zürich gegründeten Vereins. Im Mai wurde die HAZ mit dem Gleichstellungspreis der Stadt ausgezeichnet. Eine Anerkennung, die in Zeiten wie diesen weit mehr sei als eine nette Geste, sagt Steinacher. «Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen.» In der aktuellen Phase gehe es politisch eher darum, Rückschläge zu verhindern, als Fortschritte zu erzielen.

Aufgewachsen ist Steinacher in einem 1800-Seelen-Dorf im Kanton Aargau. Mit 16 hatte er sein Coming-out. Die Mutter war offen, der Vater brauchte etwas länger. Und doch: «Im Dorf war es nicht negativ. Aber es war halt ein Thema. Jeder wusste es, man ist exponiert.» Diese Erfahrung hat ihn geprägt. Schon mit 18 engagierte er sich bei Du-bist-du, einer Anlaufstelle für queere Jugendliche. «Aktivismus war mein Start in ein selbstbewusstes Leben.» 

Heute lebt er mit seinem Partner in Zürich. Zurzeit büffelt er für die Anwaltsprüfung und arbeitet ehrenamtlich bei der HAZ mit. Einmal in der Woche ist Dominik Steinacher im Regenbogenhaus anzutreffen.

Steinacher beobachtet einen politischen Wandel. «Was in den USA passiert, schwappt gerade zu uns rüber. Konservative Kreise warten nur darauf, dass ihre Ideologien salonfähig werden.» In Zürich wurde letztes Jahr über den Genderstern abgestimmt. «Auch das ein Kampf gegen den Rückschritt.» 

Resilienz stärken

Deshalb unterstützt die HAZ nicht nur Aufklärung, sondern auch die Resilienz der eigenen Leute. Mit einem Teil des erhaltenen Preisgelds von 20 000 Franken soll mehr und professionellere Unterstützung für die Ehrenamtlichen ermöglicht werden. Denn: Was zermürbe, sei nicht Widerstand. Anspruchsvoll sei es, «wenn man sehr viel tun muss, damit einfach alles bleibt, wie es ist».

Auch in der Kirche ist er darum besorgt. Es gebe konservative Kräfte, die gut vernetzt seien. «Wir müssen ihnen etwas entgegensetzen.» Die Aufgabe der Kirche liege darin, als öffentlich-rechtliche Institution gesellschaftliche Themen sichtbar zu machen und mitzugestalten. Im Fokus immer die Schwächsten: «Alles, was mit Nächstenliebe zu tun hat, liegt mir am Herzen.»

Steinacher sitzt ruhig da, spricht analytisch und fokussiert. Nur sein Fuss, im weissen Sneaker, wippt unaufhörlich unter dem Tisch, als wäre er längst schon beim nächsten Projekt, das angepackt werden will.

Vielleicht bei einem Angebot, das jene Menschen mit Mehrfachdiskriminierung auffangen soll. Oder bei einer Idee für mehr Akzeptanz nonbinärer Menschen. «Gerade sie werden oft angegriffen.» 

Er ist ein Getriebener im besten Sinn – mit einem inneren Takt, der ihn weitertreibt, bis auch jene gehört werden, die sonst übersehen bleiben.