Wenn ein geliebter Mensch an Weihnachten plötzlich fehlt

Gottesdienst

An «Weihnachten ohne dich» wird in einer Zeit der frohen und besinnlichen Familienfeiern geliebter Verstorbener gedacht.

Weihnachten naht, und bei vielen Menschen steigt die Vorfreude auf frohe Tage im Kreise ihrer Liebsten. Verbunden mit den Feiertagen sind zahlreiche Rituale: vom Besuch des Gottesdienstes oder des Krippenspiels bis hin zum immer gleichen Ablauf des Fests zu Hause. 

Doch was, wenn in diesem Jahr etwas ganz Wesentliches anders ist? Was, wenn jemand fehlt? Wenn dieser jemand gestorben ist und eine schmerzhafte Lücke hinterlässt?

Vivien Siemes ist Sozialdiakonin, Trauerbegleiterin und Initiantin von «Weihnachten ohne dich» in Zürich. Zum zweiten Mal lädt sie nun in der Alten Kirche Witikon zu einer Feier für Menschen, die um andere Menschen trauern.

Der bange Blick

Die 47-jährige Deutsche kennt das Format aus ihrer Heimat. Im Kanton Zürich ist ihr Gottesdienst im Andenken an geliebte Verstorbene in Zeiten des «kollektiven glückseligen Familientaumels» neu und bisher einzigartig, wie sie im Gespräch mit «reformiert.» erklärt. Siemes will einen Gottesdienst für all jene anbieten, denen mit Blick auf die kommenden Feiertage etwas bange ist, weil sie nicht wissen, wie sie mit der neuen, ungewohnten Situation umgehen sollen und zurechtkommen.

Dabei gehe es vor allem darum, einen Raum für Trauer zu geben. Wichtig ist Siemes, dass die Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes ihre Gefühle zeigen können: «Der offene Umgang mit der neu entstandenen Lücke und dem Schmerz, den ein Verlust mit sich bringt, soll auch mitten in der Weihnachtszeit seinen Platz haben.» 

Gerade dann, wenn das Fehlen eines Menschen am schmerzlichsten vor Augen geführt werde, brauche es eine Auseinandersetzung. «Nur so können Wunden heilen», sagt die Sozialdiakonin. Zusammen mit Pfarrer Christoph Ammann wird sie den Gottesdienst gestalten. 

Die Feier vor einem Jahr habe ein «extrem gemischtes Publikum» besucht, das nicht nur aus Witikon, sondern auch aus der weiteren Umgebung angereist sei. Rund 50 Menschen allen Alters seien gekommen, im Verhältnis zur Gemeindegrösse sei das viel. 

Für Siemes ist «Weihnachten ohne dich» lediglich der Anfang eines Weges, der hin zu einem erweiterten, ganzjährigen kirchlichen Angebot zum Umgang mit Abschied, Tod und Trauer führen soll. 

Die Trauerbegleiterin will mit ihrem Gottesdienst allerdings nicht nur einen Raum für Andacht, Verarbeitung und Trost schaffen. Sie gibt auch Tipps, wie Hinterbliebene anhand neuer Rituale der Verstorbenen gedenken und sie in gemeinschaftlicher Erinnerung halten können und so am Weihnachtsfest eine Präsenz aufscheint.

Der abgeschnittene Ast

Als Beispiel verweist Siemes auf den deutschen Theologen und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer (1906 – 1945), dessen Bruder Walter im Ersten Weltkrieg gefallen war. Die Familie schnitt an Weihnachten vom geschmückten Baum jeweils einen Ast ab und legte ihn auf das Grab von Walter. 

Weihnachten ohne dich. 23. Dezember, 19 Uhr, Alte Kirche Witikon, Zürich.