Eigentlich ist die Kirche immer eine Baustelle

Renovation

Cornelia Camichel Bromeis hat derzeit keine Kirche, denn der St. Peter in Zürich wird renoviert. Die Pfarrerin predigt nun anderswo und denkt über neue Gottesdienstformate nach. 

Diesen Juli wurde Cornelia Camichel Bromeis zur Wanderpredigerin. Ihre Kirche, der St. Peter in Zürich, wird renoviert. Wandern ist sich Camichel aber gewohnt. Vor drei Jahren zog die Bündner Dekanin nach Zürich. Nun predigt sie anderswo in der Stadt. Viele Gemeindeglieder ziehen mit. «Wir gehen auf Wanderschaft und entdecken so anderes Gemeindeleben in der Nachbarschaft.» 

Die anderthalbjährige Sanierung sieht die Pfarrerin als Chance, Bestehendes zu hinterfragen. «Auf zu neuen Räumen» heisst ihr Konzept, und es soll auch theologisch ein Aufbruch sein. «Neben dem St. Peter wird in zwei Altstadtkirchen am Sonntagmorgen Gottesdienst gefeiert, dieses Angebot können wir erweitern», ist Camichel überzeugt. 

Darum möchte sie in Zukunft im St. Peter am Samstagabend feiern. Und zwar mit neuen Gottesdienstformaten, welche weitere Lebenswelten berücksichtigen. Das wird ein grosser Einschnitt sein für die Gottesdienstgemeinde am St. ?Peter, die von verschiedenen Orten in die Altstadt kommt. Auch für die Pfarrerin, aufgewachsen im katholischen Tiefencastel, war der reformierte Sonntagsgottesdienst in der Schulhausaula einst sehr wichtig. Die Pfarrerin weiss also, wovon sie spricht.

Umfassende Sanierung

Trotz Vorgängerbauten gilt die Kirche St. Peter in Zürich als erster reformierter Kirchenbau. 1706 wurde sie eingeweiht. Nach einer Renovation von 1970 bis 1974 besteht nun weiterer Sanierungsbedarf. Dafür bleibt die Kirche ausser im Advent bis Oktober 2025 geschlossen. Nebst Erneuerungsarbeiten im Dachstock und an der Aussenhülle werden auch die Gebäudetechnik aus den 70er-Jahren (Lüftung, Audio und Lichtsteuerung) und die veraltete Toilettenanlage ersetzt sowie die Empore der Kirche neu gestaltet. Durch eine Ausebnung des Bodens wird die Empore künftig vielseitiger nutz- und erlebbar sein.

Samstag statt Sonntag

«Wir sind ständig im Gespräch über all diese Veränderungen. Und spinnen die Ideen gemeinsam weiter.» Camichel sagt das konzentriert und ruhig, wie sie generell wirkt. Wenn sie über ihre Pläne für die Samstagsgottesdienste spricht, steht ihr Herzensthema, die Verletzlichkeit des Menschen, im Zentrum. Und obwohl es dabei um Traumata und Verlust geht, strahlt die Pfarrerin beim Erzählen Heiterkeit aus. 

Angedacht ist das neue Format mit einer Atemtherapeutin, um den schwierigen Themen Raum zu geben mit dem Atmen. An weiteren Samstagen soll ein tanzender katholischer Theologe mitwirken, aber auch die Kantorei St. Peter in Singgottesdiensten. Universitäre Forschungsthemen sollen den Weg in die Gemeinde hinein erhalten. «Und an einem Wochenende im Monat möchte ich junge Leute zu einem Escape-Room in die Kirche einladen», sagt Camichel.

Im Turm getauft

Bei aller Freude an Experimenten betont sie, wie wichtig traditionelle Nutzungen im St. Peter auch weiterhin sind. Zu Trauerfeiern kommen 300, 400 Menschen zusammen. Eine Kirchenmitgliedschaft der Verstorbenen ist da keine Bedingung.

Camichel tauft, traut und bestattet gern. «Ich liebe Kasualien.» Sie sucht Gestaltungsräume, die heutigen Bedürfnissen entsprechen. 

Zum Beispiel eine Taufe im Turm des St. Peter oder im Kreuzgang des Grossmünsters, an der Limmat, am Brunnen des Fraumünsters. Dabei ist für die Pfarrerin klar: Der kirchliche Hintergrund soll präsent sein, die Feiern möglichst als offene Gottesdienste ausgeschrieben werden. 

Offen im Advent

Schon bald steht die dunkle Jahreszeit an. Im November und Dezember ist der St. Peter trotz Sanierung vorübergehend offen, mit den Baugerüsten im Inneren. Die Feiern in der Adventszeit seien wichtig für die Gemeinde, sagt Camichel. 

Und sie freut sich auch auf den Hubertus-Gottesdienst mit Brevetierung von Jagd Zürich im November. Der St. Peter wird voll sein. Die Altstadtkirchen erfüllten eine wichtige gesellschaftliche Funktion, unabhängig von der Kirchenmitgliedschaft, sagt sie. «Unsere Räume und unsere Botschaft tun den Menschen gut», so Camichel.