Glaube 20. Februar 2024, von Rita Gianelli

Kirche will sich für die Zukunft rüsten

Landeskirche

Mit einem neuen Gesetz will die Landeskirche Kirchgemeinden mehr Spielraum für ihre Aufgaben geben und so den Bedürfnissen einer sich verändernden Gesellschaft gerecht werden.

Bündner Pfarrerinnen und Pfarrer führen Seelsorgegespräche, feiern nebst kirchlichen Amtshandlungen wie Taufe, Hochzeit oder Konfirmationen am Sonntag Gemeindegottesdienste und erteilen auch Religionsunterricht. Doch den zahlenmässig Kleinen unter den Kirchgemeinden stehen für diese Aufgaben nur geringe Stellenpensen, oft weniger als 50 Prozent, zur Verfügung. Und einige Gemeinden haben sogar keine eigene Pfarrperson mehr.

Attraktiv im Arbeitsmarkt

Die Folge: Es werden vermehrt Kooperationen angestrebt, sogenannte Pastorationsgemeinschaften zwischen Kirchgemeinden. Dass sie die Fusion suchen, ist auch ein Weg für Gemeinden, das Problem zu lösen. Kirchenratspräsidentin Erika Cahenzli sagt, dass sich Kirchgemeinden mit dem neuen Kirchgemeindegesetz «zukunftsfähig entwickeln und auf dem Arbeitsmarkt attraktiv sein» sollen. Damit verfolgt die Bündner Landeskirche ihre Vision einer vernetzten Kirche über die einzelnen Gemeinden hinaus. «Im Gegensatz zur Post und dem Lebensmittelladen, die vermehrt in den Dörfern geschlossen werden, will die Kirche vor Ort bleiben», erklärt Frank Schuler, der im Kirchenrat zuständig ist für Rechtsfragen. Das Kirchgemeindegesetz soll helfen, dies zu realisieren. Das Gesetz löst eine über 40-jährige Verordnung ab. Es ist von grosser Tragweite, da es sich direkt auf das Leben in der Kirchgemeinde auswirkt. «Das neue Gesetz eröffnet den Kirchgemeinden in erster Linie mehr Chancen», betont Cahenzli, «es ist keine Sparübung.» Zum Beispiel die Berechnung der Pfarrämter: Neu soll Religionsunterricht an den Schulen keine Pflicht mehr für Pfarrpersonen sein. Diese bleibt auf den Konfirmationsunterricht beschränkt. «In den meisten anderen Kantonen gibt es keine Unterrichtsverpflichtung für Pfarrpersonen, Graubünden war da eine Ausnahme», sagt Cahenzli.

Mindestens 50 Prozent

Weiter soll neu jedes Pfarramt mindestens 50 Stellenprozent umfassen. Die Voraussetzung dafür ist, dass eine Kirchgemeinde allein oder mit anderen zusammen mindestens 400 Mitglieder zählt. Der Gesetzentwurf sieht ausserdem vor, dass den Kirchgemeinden – prozentual zu ihrer Grösse – auch Stellenprozente für administrative Aufgaben zugesprochen werden. Zur Entlastung des Vorstandes kann somit ein Sekretariat aufgebaut werden, ohne das Pensum des Pfarramts zu schmälern. Der Kirchenrat erhofft sich, damit dem Personalmangel im Pfarramt und auch dem in den Vorständen entgegenzuwirken. Denn Res- sorts in den Vorständen können heute teilweise über Jahre hinweg nicht besetzt werden. Hier soll das neue Gesetz Türen öffnen, indem es auch jenen Kirchenmitgliedern, die ihren Wohnsitz nicht in der Kirchgemeinde haben, erlaubt, ein Vorstandsamt auszuüben. Das ist vor allem in Tourismusgemeinden attraktiv. Denn damit erhalten Zweitwohnungsbesitzerinnen und -besitzer die Möglichkeit, sich in einem Bündner Kirchenvorstand zu engagieren. «Damit reagiert der Kirchenrat auf ein Anliegen der Kirchgemeinden selbst», hält Erika Cahenzli fest.

Artikel für mehr Spielraum

richtet sein und kann nicht alle künftigen Entwicklungen vorhersehen oder regeln. Daher wollen wir Kirchgemeinden die Möglichkeit einräumen, neue Angebote oder Formen der Amtshandlungen auszuprobieren», sagt Frank Schuler und verweist damit auf den «Spielraumartikel». Zum Beispiel eine Taufe mit Paten, die nicht der Kirche angehören, eine Hochzeit im Freien oder eine Abdankung am Bach. «Kirchgemeinden sollen sich an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder orientieren dürfen», so Schuler. «Wichtig ist, dass die Gottesdienste den öffentlichen Charakter behalten.» Die Gesetzesvorlage ist einer der «Meilensteine» in der Umsetzung der neuen Kirchenverfassung, die das Bündner Kirchenvolk vor sechs Jahren angenommen hat. Sie liegt nun den Gemeinden zur Vernehmlassung vor. Läuft alles nach Plan, tritt das Kirchgemeindegesetz 2025 in Kraft. Den Kirchgemeinden bleiben dann weitere sieben Jahre für die Umsetzung des Gesetzes. 

Mehr zum Gesetz unter: www.gr-ref.ch