An einem Januartag fand ich mich in einem festlichen Lokal unterhalb des Zürcher Lindenhofs wieder, in einer Runde mit Repräsentanten aus Wirtschaft und Politik. Ich war als Künstlerin eingeladen zum Thema «fremd und integriert». Mit einem Champagnerglas in der Hand lauschte ich der Vorstellungsrunde.
Der eine Herr wurde im Engadin geboren, hatte in St. Gallen studiert und in New York gearbeitet, er war nun in Zürich und fühlte sich überall fremd. Eine ältere Dame war zwar von hier, hatte aber dänische Vorfahren, und deren Fremdheit beherrschte ihr Leben. Einer nach dem anderen stellten sich die Tischgäste vor, sie alle fühlten sich fremd.
Aus der Reihe getanzt
Ganz zum Schluss kam ich an die Reihe: Im kommunistischen Rumänien geboren, habe ich in Bukarest und später in Belgien und Österreich studiert, anschliessend in Frankreich und Deutschland als Kulturjournalistin gearbeitet. Seit 2006 lebe ich als Schriftstellerin in der Schweiz. Meine Zuhörenden waren von meinem Weg angetan, stutzten aber, als ich sagte, jenseits des metaphysischen Fremdheitsgefühls auf Erden würde ich mich nirgends fremd fühlen. Die Kunst geht über Grenzen hinweg, und von dieser Entgrenzung beflügelt, bewegt sich auch der Künstler, die Künstlerin im Alltag.
Im Gesicht meiner Gastgeberin zeichnete sich leise Enttäuschung darüber ab, dass ich das Thema wohl verfehlt hatte. Das Essen schmeckte dann aber so gut, dass wir uns zu später Stunde alle sympathisch fanden, vertraut in der vermeintlichen Fremdheit.
Verständnis für die Liebe
Im vergangenen November weilte ich mit meinen ins Französische übertragenen Büchern in Kinshasa in der Demokratischen Republik Kongo. Die Millionenstadt ist verkehrstechnisch eine Herausforderung. Mit den kongolesischen Literaten, die mir Termiten kredenzten und nachts von Strassenverkäufern feilgebotene gebratene Grillen am Spiess kauften, fuhr ich auf Motorrädern zu den Veranstaltungsorten.
Zuletzt haben wir «littérature de porte à porte» geboten: Wir betraten fremde Höfe und lasen den Leuten aus meinen Romanen vor, dazwischen tanzten wir mit ihnen, Rumba congolaise. Die Menschen verstanden meine Geschichten, sie begriffen sie als sehr vertraut. Vor allem die Liebesgeschichten.
