Wenn Verlierer wie Könige behandelt werden

Schlusspunkt

Der Besuch auf dem Fundbüro der Stadt Zürich wurde für Christa Amstutz zum Highlight des Tages. Denn sie traf auf ganz besondere Angestellte.

Mützen. Kürzlich liess ich mein Handy im Tram liegen. Ich bemerkte das auch gleich, doch eine Kontaktaufnahme mit dem Chauffeur war laut Verkehrsbetriebe nicht möglich. Stattdessen wurde ich aufs Internet verwiesen, wo ich eine Verlustmeldung aufgeben konnte. Ich ärgerte mich ein bisschen ob so viel Automatisierung. Effizient ist das Suchsystem aber schon. Am nächsten Morgen erhielt ich eine Mail vom Fundbüro der Stadt Zürich, mein Handy sei abholbereit. Dort an­gekommen, verflog auch gleich der letzte Rest meines Kulturpessimismus. Ich traf auf ganz besondere Angestellte. In aller Seelenruhe durchwühlte zum Beispiel einer von ihnen mit einem Mann Kisten über Kisten von Mützen, denn verlorene Lieblingsmützen gilt es ernst zu nehmen.

Äpfel. Seine Kollegin nahm unterdessen am Schalter eine Verlustmeldung auf. Zum Schluss streckte sie ihrem Gegenüber einen Apfel hin und sagte: «Fröhliche Weihnachten.» Ihr Lächeln blieb nett, als der Mann den Apfel ablehnte, weil der sicher nicht bio sei. Stattdessen bot sie ihm ein Schöggeli an. Das nahm er dann, obwohl es auch nicht bio war. Was er verloren hatte, habe ich nicht mit­bekommen, denn meine Aufmerksamkeit galt dem zweiten Schalter. Dort standen zwei Frauen und vier Kinder, die Gewänder der Frauen liessen auf Eritrea als Herkunftsland schliessen. Es ging um eine verlorene Bubenjacke. Die war da und alle freuten sich. Was dann folgte, war eine Bescherung der besonderen Art.

Königinnen. Mit Äpfeln fing der Fundbüromann an. Dann verteilte er Herz-Schöggeli. Und vor lauter Freude am Schenken zog er noch kleine Schoggitäfeli hervor. Sein Überschwang wurde unterbrochen von einem Husten und Raunen aus dem Hintergrund. Dort sass nämlich auf einer Bank noch die Grossmutter. Sofort gab der Mann ein weiteres Täfeli in die Runde, die alte Frau stand mühsam auf, eines der Kinder brachte ihr das Geschenk, sie packte es fest und strahlte über das ganze Gesicht. Schwatzend und winkend verliess das Grüppchen das Büro. Alle waren gekommen, weil sie etwas verloren hatten. Und wurden einen Moment lang behandelt wie Könige.