Gesellschaft 05. Februar 2025, von Noemi Harnickell/kirchenbote.ch

Fahrt mit Herz ins Kriegsgebiet

Nothilfe

Vor drei Jahren gründete das Allschwiler Ehepaar Marcel und Michelle Kübler «Ukrainehilfe mit Herz». Sie fahren persönlich mit Dieselgeneratoren bis zur russischen Front.

Angefangen hat alles am 24. Februar 2022. Noch Wochen zuvor hatten manche Politexperten entwarnt, Putin plane keinen Angriffskrieg. Doch auf einmal war der Krieg da. Was viele Schweizer und Schweizerinnen längst in die Geschichtsbücher verbannt hatten, war plötzlich wieder Wirklichkeit geworden.

Eine Welle der Solidarisierung rollte über das Land. Sie erfasste auch Marcel und Michelle Kübler. Das Allschwiler Ehepaar folgte einem Spendenaufruf vom «Swiss Mega Park» in Frenkendorf und brachte alte Wintermäntel und Fussbälle vorbei. Die vielen Spenden der Bevölkerung überstiegen die Erwartungen der Helfer und Helferinnen, Marcel Kübler half den Rest des Nachmittags beim Sortieren. Und weil Fahrer gebraucht wurden, um die Hilfsgüter an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen, bot er seine Dienste an.

Kurz nach Kriegsbeginn gegründet

Kübler kehrte nach Hause zurück, nur um sofort wieder loszufahren. Gemeinsam mit seiner Frau Michelle gründete er im April 2022 den Verein «Ukrainehilfe mit Herz». Schon bald reiste er nicht mehr nur bis zur Grenze, sondern nach Lviv in der Westukraine, dann weiter nach Ternopil und Kiew im Landesinneren und schliesslich sogar bis an die russische Grenze.

«Ukrainehilfe mit Herz» unterstützt vor allem Krankenhäuser: Medikamente, Vakuumpumpen für Wundtherapien – und Brutkästen, in denen Neugeborene transportiert werden können. Sie sind nötig, um die Babys bei einem Angriff sicher in den Luftschutzkeller zu bringen. Auch staatliche und private Organisationen, die Küblers nicht namentlich nennen dürfen, haben schon Medikamente, Verbandsmaterial und medizinische Güter gespendet, im Wert von über 5 Millionen Schweizer Franken. Mehrmals fährt Kübler mit einer grossen Ladung Dieselgeneratoren los, denn die russischen Angriffe haben geschätzte 50 Prozent der Energieinfrastruktur der Ukraine zerstört.

Michelle Kübler ist die treibende Kraft hinter der Arbeit ihres Mannes. Sie kümmert sich zu Hause um die Organisation des Vereins, betreibt die Website, spricht sich mit den Partnerorganisationen ab und kümmert sich um die Spendenaufrufe, macht die Buchhaltung und holt die Waren für die nächste Fahrt ab. 

Ob sie sich um ihren Mann sorge, wenn der unterwegs ist? Michelle Kübler lacht verlegen. Natürlich tue sie das. Aber: «Die Zeit, bevor er fährt, ist schlimmer, als wenn er dann unterwegs ist.»

Viel Freiwilligenarbeit

Marcel Kübler fährt alle sechs Wochen mit kleinen Teams in die Ukraine. Etwa 80'000 Kilometer legt er jedes Jahr zurück. Eine einzige Fahrt, rechnet er, kostet ungefähr 1500 Franken. Das sind nur die Kosten für das Benzin und die Spesen für die Fahrer, denn die Wartung der Fahrzeuge übernehmen die befreundeten Garagen oft gratis. Die Materialkosten werden zum Einkaufspreis verrechnet, und auch die Fahrer verlangen keinen Lohn. 

Manchmal zahlen Küblers einen Teil der Fahrkosten vom eigenen Ersparten, denn die Spenden reichen dafür nicht immer aus. Küblers arbeiten eng mit anderen Vereinen zusammen. So können sie nebst dem eigenen Vereinswagen das Auto der Aktion «1019.ch» mitnutzen und erhalten Unterstützung beim Auftreiben von Generatoren und Medikamenten.

Wir sehen die direkten Auswirkungen, die unsere Hilfe hat. Ganze Krankenhäuser konnten allein durch unsere Spenden den Betrieb aufrechterhalten.
Michelle Kübler

Was also spenden? «Verbandsmaterial und Medikamente, die nicht abgelaufen sind, denn auch die Ärzte in der Ukraine müssen sich an Standards halten», sagt Michelle Kübler. Ausserdem Powerbanks, mit denen man Handys und Computer aufladen kann, wenn der Strom ausfällt. Und: Kerzen. «Die spenden Licht und Wärme», sagt Michelle Kübler. «Und sie sind heiss genug zum Kochen.»

Die Dankbarkeit ist gross

Marcel Küblers Handy ist voller Dankesnachrichten. «Du bist ein Engel der Strasse … ein Macher für eine lebenswerte Zukunft», hat ihm eine Frau geschrieben. «Wo wäre unsere Welt, wenn es keine Herzensmenschen wie dich mehr gäbe?» 

Es ist diese Dankbarkeit, die Küblers dazu bewegt, weiterzumachen. Sie möchten die Dankbarkeit, die sie bekommen, mit den Spendern und Freiwilligen teilen, ohne deren Unterstützung ihre Arbeit nicht möglich wäre. «Wir sehen die direkten Auswirkungen, die unsere Hilfe hat», sagt Michelle. «Ganze Krankenhäuser konnten allein durch unsere Spenden den Betrieb aufrechterhalten.»