Porträt 27. Oktober 2022, von Bettina Gugger

Auf der Suche nach Perfektion

Kunst

Sonja Knapp ist Mitgründerin des französichen Modelabels Ungaro. Ihre Skulpturen sind derzeit im Rahmen des 800-Jahre Jubiläums von Klosters zu sehen.

Sonja Knapps Lebenslauf liest sich wie ein Roman. Auf dem Gipfel ihres Erfolgs als Modeschöpferin in Paris scheute sie sich nicht, nochmals neu anzufangen. Früh fand die Künstlerin in Klosters einen Rückzugsort, wo sie zurzeit im Rahmen des 800-Jahre-Jubiläums von Klosters ihre Skulpturen präsentiert.

An der Kunstpromenade in Klosters machen die riesigen Insekten von Sonja Knapp auf sich aufmerksam: die Gottesanbeterin «Mantida», der «Insetto Grande» mit über drei Metern Höhe beim Parkplatz «Alte Eisenbahn» und die Schmeissfliege «Moscone II» aus Aluminium im Park vor dem Hotel Silvretta. Durch die starke Vergrösserung werden die kleinen Lebewesen für den Betrachter greifbar. Unweigerlich wird er mit der Frage nach deren Wichtigkeit für ein intaktes Ökosystem konfrontiert. Auf dem Dach des temporären Kunsthauses Klosters wacht zudem eine silberne Taube, und im Innern können drei Katzenporträts der Künstlerin bestaunt werden.

Modelabel Ungaro

Die skizzenhafte Linienführung, in der die asiatische Kalligrafie anklingt, bringt die dynamischen Bewegungen der Katzen perfekt zum Ausdruck. «Angefangen hat alles mit den Katzenbildern», erzählt Knapp in ihrem Atelier und Ausstellungsraum, der Casa Rossa in Landquart. Nach 25 Jahren in der Modebranche – sie gründete zusammen mit Emanuel Ungaro das bekannte Modelabel Ungaro – entschloss sie sich Mitte der 80er-Jahre, sich ganz der Kunst zu widmen. Da ihr zu jener Zeit nur ihre Katze als Modell zur Verfügung stand, zeichnete sie diese bis zur Perfektion. «Perfektion ist meine Obsession», so Knapp. Erst einige Zeit nachdem sie sich intensiv mit der Malerei auseinandergesetzt hatte, begann Knapp, sich der Dreidimensionalität zu widmen. Ganz neu war das skulpturale Arbeiten für sie aber nicht. Mit ihren Bodyskulpturen, massgeschweissten Bustiers, Korsagen und Minijupes aus Metall, hatte sie mit Ungaro bereits für Furore gesorgt.

Dialog dank der Kunst

«Ich wollte nie Mode machen», erzählt die gelernte Grafikerin, die unter Johannes Itten die Kunstgewerbeschule besuchte. «Ich wollte zeichnen, kreativ sein.» Wichtig war ihr immer, zu 100 Prozent frei zu sein und das machen zu können, was Freude bereitet. Dabei möchte sie eine Botschaft übermitteln. Ihre Skulpturen spielen mit Licht und Schatten und reflektieren die Umgebung. Steht der Betrachter vor der «Onda», einer Welle aus hochglanzpoliertem Edelstahl, sieht er sich von ihr gespiegelt, als ob die Skulptur mit ihm kommuniziert. «Meine Werke sollen einen Dialog schaffen und dem Betrachter ermöglichen, über seinen Horizont hinauszuschauen», sagt Knapp. In Paris begann die Künstlerin mit Bronze zu arbeiten. Und sie war eine der Ersten, die den Glanz des Aluminiums in der Kunst perfekt in Szene setzten. Dann entdeckte sie schliesslich den rostfreien Stahl für sich. Vom Modell, das Sonja Knapp mit schwarzem Wachs in ihrem Atelier herstellt, bis zur vielfach vergrösserten Skulptur vergehen durchschnittlich ein bis zwei Jahre. Dabei gibt das Material den Entstehungsprozess vor. Was en miniature funktioniert, gelingt nicht immer in Gross, da ist ein Insektenflügel schon mal zu schwer.

Protestantisch erzogen

Ein Anliegen der Künstlerin ist es, immer mit der Zeit zu gehen. Ausdruck ihres wachen Geistes ist die Skulptur «Coeur 4D» aus Aluminium. Für Sonja Knapp ist Kunst ohne Spiritualität nicht möglich. «In jeder Skulptur steckt viel Spiritualität – es ist die Seele jedes Kunstwerks.» Knapp wurde von ihren Eltern protestantisch erzogen. «Heute lebe ich meinen Glauben auf meine Art und Weise», sagt sie. Sie ist der Auffassung, dass die Art und Weise, wie man lebt, immer auf einen zurückfällt: «Ich glaube an das Gute und bin der festen Überzeugung, dass, wenn man gut ist und Gutes tut, dies zurückkommt.» Auch die Kunst helfe dabei, so Knapp, indem durch sie Poesie, Perfektion und Aussagen übertragen werden können: «Kunst macht die Welt nicht schöner, aber den Menschen besser», sagt sie.

800 Jahre Klosters, Kunsthaus Klosters, Finissage 26. November, www.kunsthausklosters.ch