Recherche 26. Mai 2020, von Constanze Broelemann

Das Bündnerland ist liberal und förderal

Kirchenrat

Kirchenrat Andreas Thöny wird sein Amt als Kirchenratspräsident abgeben. Er hofft, dass die Kirche von der Vernetzung, wie während der Corona-Zeit, weiter profitieren kann.

Nach fast acht Jahren als Kirchenratspräsident der Bündner reformierten Landeskirche legt Andreas Thöny sein Amt nieder. Ende Juli wird er sich einer neuen beruflichen Herausforderung stellen. Besonders drei Höhepunkte bleiben ihm aus seiner Amtszeit dabei stark im Gedächtnis.

Kirche hat Rückhalt

«Dass die Bündner die Aufgaben der Kirche schätzen, konnten wir bei der Abstimmung 2014 sehr deutlich sehen.» Damals wollten die Jungen Freisinnigen die Abschaffung der juristischen Kirchen­steuer durchbringen. «Das wurde von den Wählerinnen und ­Wählern mit 74 Prozent deutlich abgelehnt», erinnert sich Thöny. 2019 stellte er bei der Revi­sion des Steuergesetzes viel Rückhalt für die Arbeit der Kirche in der Politik fest. Die Unternehmen sollten steuerlich entlastet werden, was auch einen Steuereinbruch für die Landeskirche bedeutet hätte. Zum Ausgleich votierte der Grosse Rat für eine Kompensation für die Landeskirche. Und auch die Zustimmung der Reformierten mit 94 Prozent zu der neuen Verfassung der Bündner reformierten Landeskirche im vergangenen Jahr wertet Thöny als Erfolg.

Die Bündner als Mittler

«Traditionell sind wir in Graubünden föderal und liberal aufgestellt. Wir versuchen, möglichst viel vor Ort zu lösen», sagt Thöny. Eigenverantwortung und Freiheit seien Chance, ‹aber auch Risiko›. «Im schweizweiten Vergleich haben wir kirchenpolitisch oft eine Mittlerrolle einnehmen können», so der Kirchenratspräsident. Innerkantonal sei die Situation anspruchsvoll. Zwar sei die finanzielle Situation ausgesprochen stabil. Doch die Mitgliederzahlen in der Kirche seien während seiner Amtszeit um zehn Prozent gesunken. Ein grundsätz­licher Trend, welcher viel mit der Globalisierung hin zu mehr Individualisierung, Mobilisierung und Digitalisierung zu tun hat. «Der Gemeinschaftsgedanke, der die Kirche trägt, nimmt eher ab», beobachtet Thöny. Als Kirche sei man zudem inzwischen ein Anbieter für Sinnstiftendes unter vielen. Andreas Thöny hofft, «dass Menschen sich wieder mehr auf ihr näheres Umfeld konzentrieren. Von der Rückbesinnung auf lokale Netzwerke könnte dann auch die Kirche profitieren.» Gerade in der Zeit der Corona-Pandemie sei der Wert von Lokalität wieder sehr deutlich zum Vorschein gekommen.

EGR und Synode wählen

Ab 1. August wird Kirchenrätin Cornelia Camichel Bromeis interimsweise die Geschäfte des Präsi­diums bis Ende Jahr übernehmen. Ein neuer Kirchenrat wird sich Anfang 2021 konstituieren. Gewählt wird der aus sieben Mitgliedern bestehende Rat bereits vorher vom Evangelischen Grossen Rat (EGR) und von der Bündner Pfarrsynode. Am 4. Juni steht neu zur Wahl Grossrätin Erika Cahenzli-Phillip aus Untervaz. Sie könnte die Nachfolge von Andreas Thöny im kommenden Jahr antreten. Drei bereits amtierende Kirchenräte stellen sich zur Wiederwahl.Die Synode, an der sich die Bündner Pfarrpersonen einmal jährlich versammeln, wird dann Ende Juni zwei weitere Kirchenratsmitglieder wählen. Kirchenrat und Pfarrer von Disentis, Roland Just, kandidiert wegen Amtszeitbeschränkung nicht noch einmal. Aufgrund der bestehenden Auflagen betreffend Corona-Pandemie wird die Synode in diesem Jahr voraussichtlich kürzer sein und in Chur statt wie geplant in Trimmis stattfinden. Die Synode tagt normalerweise immer vom Donnerstag vor dem letzten Juni-Sonntag bis zum folgenden Montag. Neben den Kirchenratswahlen werden an den Synodentagen neue Mitglieder aufgenommen. In diesem Jahr sind es sechs Pfarrpersonen, die um Aufnahme in die Bündner Pfarrsynode bitten, sagt Kanzelarin Ursina Hardegger. Ein weiteres Thema wird das «Bündner Pfarramt» sein. «Ein wichtiger Diskussionspunkt dabei ist das Mass der Zusammenarbeit untereinander», so Hardegger. Ausserdem soll an dem modernen Umgang mit  Kasualien weitergedacht werden.