Recherche 22. September 2021, von Marius Schären

Gassenarbeit in Bern wird mehr als kirchlich

Gesellschaft

Wandel bei der Berner Gassenarbeit: Sie ist umgezogen und wird flexibler. Und neu können nicht nur Kirchgemeinden, sondern auch Firmen und Personen Mitglied werden.

Bei der kirchlichen Gassenarbeit in der Stadt Bern verändert sich einiges. Die Anlaufstelle für Menschen ohne festen Wohnsitz – im vergangenen Jahr mit dem Sozialpreis ausgezeichnet – hat Anfang September neue Räumlichkeiten bezogen. Zudem seien in den vergangenen zwei Jahren Strukturen und Angebote analysiert und angepasst worden, sagt die für PR verantwortliche Gassenarbeiterin Nora Hunziker.

Der Umzug erfolgte aus nächster Nähe beim Bahnhof in ein Wohnquartier in der Länggasse. «Unsere Räume an der Speichergasse waren schon lange zu klein», sagt Hunziker. Die Bahnhofsnähe war zwar ideal, aber es habe auch Konflikte in der Umgebung gegeben. Dieses Thema gehen die Gassenarbeiterinnen nun vorausschauend an: «Mit einem Tag der offenen Tür gehen wir am neuen Ort auf die Menschen im Quartier zu.»

Auch für Privatpersonen

Daneben sind einige Umstrukturierungen geplant. Besonders wichtig dabei: die Finanzierung. «Bis jetzt konnten nur Kirchgemeinden Mitglied des Vereins werden und Beiträge bezahlen. Ab 2022 ist das auch für private und juristische Personen möglich.» Das biete neue Möglichkeiten, denn das Budget sei bisher «sehr statisch» gewesen. «Wir möchten uns damit unter anderem Flexibilität verschaffen, um besser auf aktuelle Entwicklungen wie etwa einen Lockdown reagieren und andere ausserordentliche Projekte umsetzen zu können.»

Auch im Team wollen wir auf Augenhöhe miteinander umgehen.
Nora Hunziker, Gassenarbeiterin

Weiter passten der Verein und das Team die Zusammenarbeit an. «Mit den Menschen draussen arbeiten wir ja möglichst auf Augenhöhe und anwaltschaftlich. Wir haben gemerkt, dass wir auch im Team so umgehen sollten: Alle haben gleich viel zu sagen», sagt Hunziker.

Nun soll es also selbstorganisiert und ohne Hierarchie funktionieren. Und bei den Verantwortlichkeiten der Gassenarbeiterinnen für ein Ressort – nebst der Einzelfall- und aufsuchenden Arbeit, die alle machen – gibt es immer ein «Tandem» im Vorstand. Auch das diene der Flexibilität, erläutert Hunziker: «Wenn sich ein Vorstandsmitglied vertieft in einem Bereich auskennt, sind somit auch raschere Entscheidungswege möglich.»

Gutes soll bleiben

Für die Klientinnen und Klienten der Gassenarbeit soll sich grundsätzlich nichts ändern – ausser, dass der Ort neu ist und es mehr Möglichkeiten bei den Angeboten geben soll. «Die Analyse hat gezeigt, dass die bestehenden Angebote gut sind. Ausbauen möchten wir insbesondere bei der Frauenarbeit», meint Nora Hunziker mit Blick in die Zukunft.