Recherche 18. Oktober 2022, von Marius Schären

Die Dombaumeister mit Bernerin an Spitze verurteilen Krieg

Kultur

Annette Loeffel vom Berner Münster ist neu Vorsitzende der europäischen Dombaumeistervereinigung. Sie sagt, warum es deren Erklärung zum Krieg in der Ukraine braucht.

Bomben töten – und zerstören Land und Bauwerke ohne Rücksicht auf deren Geschichte. Darunter sind oft religiöse Bauten mit grosser kulturhistorischer Bedeutung. Die «europäische Vereinigung der Dombaumeister, Münsterbaumeister und Hüttenmeister» hat jetzt deshalb die «Greifswalder Erklärung» publiziert. 

«Wir fordern Russland auf, die kriegerischen und zerstörerischen Handlungen zu beenden und zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker zurückzukehren», heisst es darin. Die Vereinigung fordert zudem alle Parteien auf, die Haager Konvention vom 14. März 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten einzuhalten.

«Sinnlose Zerstörung verbieten, verhindern, unterbinden»

Gemäss Artikel 4 des Abkommens hiesse das, Kulturgut auf Boden von Vertragsparteien vor Vernichtung und Beschädigung zu schützen und «jede Art von Diebstahl, Plünderung oder anderer widerrechtlicher Inbesitznahme von Kulturgut sowie jede sinnlose Zerstörung solchen Gutes zu verbieten, zu verhindern und nötigenfalls zu unterbinden».

Die Berner Münsterbaumeisterin Annette Loeffel war bei der Verabschiedung der Erklärung mit dabei: Bei den alle drei Jahre stattfindenden Wahlen unter den rund 150 Mitglieder der Vereinigung wurde sie nämlich Ende September zur Vorsitzenden gewählt. Die Erklärung sei ein «Akt der Solidarität und der Menschlichkeit», sagt Loeffel auf Anfrage. Sie stehe voll dahinter und sei zuständig für deren Verbreitung in mehreren Sprachen.

Vereinigung hilft auch bei präventiver Dokumentation

Auslöser sei ein Bericht gewesen «über die schrecklichen Geschehnissen in der Ukraine durch ein Mitglied aus Kiew». Wie viele kirchliche Bauten in der Ukraine durch den Krieg bereits zerstört oder beschädigt wurden, könne sie auf die Schnelle nicht beantworten, sagt Annette Loeffel. Die Sophienkathedrale in Kiew beispielsweise sei ihres Wissens bisher vorschont geblieben. «Aber der Verein hilft aktuell aktiv und finanziell bei der präventiven Dokumentation dieses Bauwerkes mit.»

Die Schweizerin an der Spitze

Die Schweizerin an der Spitze

Die Wahl zur Vorsitzenden der europäischen Vereinigung der Dombaumeister bedeute «zusätzliche Arbeit, aber auch grosse Ehre», sagt die Berner Münsterbaumeisterin Annette Loeffel auf Anfrage. Sie freue sich über das Vertrauen von Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa. Und: «Ich bin stolz, dass die Arbeiten der Berner Münster-Stiftung auch im Ausland zur Kenntnis genommen werden.»

Das internationale Netzwerk der rund 150 Baufachleuten in der Vereinigung trifft sich jährlich bei einem Bauwerk, das von einem Mitglied betreut wird. Es ist somit auch ein Pool von Spezialistinnen zu unzähligen Themen der Restaurierung, Denkmalpflege und von handwerklichem Know-How.

Sowohl in Bern als auch überhaupt in der Schweiz könnten die Fachleute davon profitieren, meint Annette Loeffel. Das geschehe durchs Mitgestalten von Vereinsthemen und Informationen an Schweizer Grosskirchen und durch Know-how-Transfer auch an andere Kirchenbauten oder andere Denkmäler. «Und wir können auch Kenntnisse in Konservierungsmassahmen, die in Bern weit entwickelt sind, anderen Dombauhütten näherbringen», hält Loeffel fest.

Denn die Münsterbaumeisterin erhofft dich durch das Amt auch «mehr Beachtung unserer Unterhaltsmethoden im Inland und den Beizug der Berner Münsterbauleitung, Münsterbauhütte und des Labors der Berner Münster-Stiftung bei Spezialfragen und Konzeptentwicklungen – auch ausserhalb der Berner Münsters».

Die Architektin ist seit 2019 die erste Münsterbaumeisterin in Bern. Zusammen mit dem Team ihres Architekturbüros (Häberli Architekten AG) ist sie für die bauliche und denkmalpflegerische Projektleitung verantwortlich und mit der Geschäftsleitung der Münsterbauhütte betraut.

(Foto: Ruben Ung, Liebefeld)

Wie wichtig diese Bauten sind, beschreibt die Vereinigung auch in der Erklärung. Der Krieg bringe nicht nur direkt den Menschen Leid, sondern auch das kulturelle Erbe in Gefahr – seien es Kirchen, Kultur- und Kultstätten, Museen, Archive, Bibliotheken, Denkmäler oder Kunstwerke, «die prägend sind für die ukrainische Kultur und grosse Bedeutung haben für Menschen aller Nationen».

Grosse Organisationen aufgefordert, Einhalt zu gebieten

Die Vereinigung der Dombaumeister verurteilt den «brutalen, völkerrechtswidrigen und durch nichts zu rechtfertigenden Angriffskrieg». Und sie fordert weiter mehrere nahmhafte Organisationen auf, ihren «Einfluss geltend zu machen, um der Ermordung Tausender unschuldiger Menschen und der Zerstörung der Kulturgüter Einhalt zu gebieten». Direkt angesprochen sind die zuständigen Regierungs- und Nicht-Regierungungsorganisationen, die Vereinten Nationen, die Unesco und die internationalen Organisationen für Monumente und für Museen (Icomos und Icom).

Zum Download der «Greifswalder Erklärung» der Dombaumeistervereinigung (PDF).