Fulbert Steffensky, Sie wurden am 7. Juli 90 Jahre alt. Was hat Sie rund um Ihren runden Geburtstag besonders berührt?
Was mich besonders berührt hat, ist, dass meine Tochter aus La Paz hier plötzlich erschien. Unvorhergesehen, das war sehr schön. Zudem war ich mit meinen sieben Enkelkindern zusammen. Wir besuchten mein altes Kloster Maria Laach, in dem ich 13 Jahre als Benediktinermönch lebte.
Sie können auf ein reiches kirchliches und theologisches Wirken zurückblicken. Wie haben sich Theologie und Glaubensleben in diesen Jahrzehnten verändert?
Zunächst einmal haben wir viel verloren: Verloren hat man eine gewisse Selbstverständlichkeit einer religiösen Welt, die ich als Kind und als junger Mann erlebt habe: die Sicherheit, die Selbstverständlichkeit und die Gemeinsamkeit des Glaubens. Früher hat man Religion geteilt. Und immer, wenn man etwas teilt, wird es stark. Es war eine Welt, in der man nicht dauernd Autor seiner selbst und seines eigenen Glaubens sein muss. Der Glaube ist immer zu schwer für einen Einzelnen.
Verloren gegangen sind auch viele Bräuche. Ich glaube, dass man Religion nicht nur gedanklich einüben kann, sondern auch über Formen, Gesten und Bräuche. Man sieht an vielen Stellen allerdings auch, wie Leute sich andere religiöse Gesten und Formen auch wieder bauen.
Was ist weggefallen und wird von Ihnen nicht vermisst?
Selbstverständlichkeiten, die keine guten waren. Wenn ich beispielsweise daran denke, wie man in meiner katholischen Jugend über Protestanten gedacht hat. Oder auch, wie die Protestanten über Katholiken gedacht haben.