Recherche 19. Juli 2016, von Thomas Illi

Neubeginn in Rothrist für Christina Koenig

Pfarrwahl

In Umiken wollte man sie nicht mehr, doch in Rothrist wurde Pfarrerin Christina Koenig nun warm empfangen.

«Das ist Demokratie», kommentierte die 52-jährige Pfarrerin Christina Koenig die Tatsache, dass immerhin zehn von 83 Anwesenden an der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung ein Nein gegen ihre Berufung nach Rothrist in die Wahlurne gelegt und drei sich der Stimme enthalten hatten. Selbstverständlich nehme sie die Wahl sehr gerne an.

Im November wird die 1992 ordinierte Theologin und Mutter von zwei erwachsenen Töchtern nach einer weiteren Zusatzausbildung in Rothrist ein 90-Prozent-Pensum antreten und mit ihren antiken Möbeln ins historische Pfarrhaus direkt neben der 300-jährigen Kirche ziehen: ein Neubeginn nach der Abwahl in Umiken vor zwei Jahren, die landesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte.

Guter Eindruck. In der Diskussion meldeten sich aus der Kirchgemeindeversammlung nur Votanten, welche den einstimmigen Wahlvorschlag der Kirchenpflege unterstützten: Wir allen hätten eine Vergangenheit, und entscheidend sei der «gute persönliche Eindruck», den die Pfarrerin heute, beim vorangehenden Taufgottesdienst und der Predigt zum aaronitischen Segen, hinterlassen habe. Und nicht, was «feige böse Zungen» per E-Mail verbreiteten.

Anonyme Vorwürfe. Tatsächlich hatte sich im Vorfeld der Versammlung vom 17. Juli ein anonymes Komitee über eine GMX-Adresse bei der Kirchenpflege und bei Aargauer Medien gemeldet und vor einer Wahl Koenigs gewarnt: Rothrist würde sich damit «zur Lachnummer» machen. Kirchenpflegepräsident Roland Woodtli versuchte – «überrascht von der Resonanz, die man heute mit ein paar anonymen Mails auslösen kann» – mehrfach, die anonyme Urheberschaft zu einem persönlichen Gespräch zu bewegen – ohne Erfolg. Woodtli ist sich sicher, dass der Autor nicht aus Rothrist stammt.

Weil im aufwändigen Selektionsverfahren mit ursprünglich zwölf Bewerbungen, intensiven Gesprächsrunden mit Christina Koenig und zahlreichen Sitzungen alles auf den Tisch kam, was aus der Vergangenheit der Kandidatin relevant schien, hielten Pfarrwahlkommission und Kirchenpflege am Vorschlag fest: «Wir orientieren uns an Fakten, nicht an Abschuldigungen», sagte Christoph Hänni, Präsident der Pfarrwahlkommission. Christina Koenig sei eine «sympathische, offene Persönlichkeit mit grosser Erfahrung und vielen neuen Ideen». Sie passe auch gut ins bestehende Team mit dem Pfarrehepaar Cornelia und Tobias Fluri und Sozialdiakon Franco Pedrotti. Die Pfarrerin habe eine zweite Chance verdient.

Sie fühle sich in Rothrist willkommen, freute sich Christina Koenig nach erfolgreicher Wahl. Sie habe nicht damit gerechnet, erneut Ziel einer Kampagne zu werden. «Es gibt doch so viel Wichtigeres auf der Welt», sagte sie am Sonntag nach dem Terroranschlag von Nizza und dem Umsturzversuch in der Türkei. Gewählt ist die Pfarrerin für den Rest der Amtsdauer. 2018 muss sie an der Urne bestätigt werden.

Christina Koenig, die damals noch Winkler hiess, war Ende September 2014 in der Kirchgemeinde Umiken mit 262 zu 294 Stimmen an der Urne abgewählt worden. Die Pfarrerin war erst ein Jahr im Amt. Nach einer Schlammschlacht mit teilweise seltsamen Vorwürfen – etwa sie rufe zu häufig die teure Telefonauskunft 1818 an – hatte die Kirchenpflege ihre Nicht-Wiederwahl empfohlen und im Falle einer Wahl Winklers mit Rücktritt gedroht.