Hindernisse abbauen fällt oft schwer

Bildung

Jedes Kind hat das Recht auf kirchlichen Unterricht. Das klappt nicht immer. Eine Fachstelle unterstützt Gemeinden bei Schwierigkeiten.

Der Auftrag ist klar: «Die Landeskirche fördert die Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen und setzt sich dafür ein, dass für alle Kinder und Jugendlichen die gleichen Bildungschancen bestehen», steht in den Richtlinien zum Religionspädagogischen Gesamtkonzept, das von der reformierten Kirche des Kantons Zürich im Juni 2022 verabschiedet wurde. 

«Wir verstehen Inklusion als fortlaufenden Prozess und nicht als abgeschlossenen Zustand», sagt Sonja Helmer-Wallimann, Fachmitarbeiterin Inklusion von der Landeskirche. «Es hängt von den Ressourcen der einzelnen Kirchgemeinden und dem Engagement der jeweiligen Personen ab, wie weit sie bei der Umsetzung bereits sind.»

Enttäuschte Eltern

Für Kinder mit einer Beeinträchtigung ist es allerdings oft schwierig, am kirchlichen Unterricht teilzunehmen – wenn etwa Räumlichkeiten nicht barrierefrei sind, das Kind Therapien braucht oder mehr Ruhezeiten benötigt. Auch für die Eltern ist ein weiterer Termin oft eine Herausforderung. «Wir sind am Anschlag und nicht in der Lage, das zu leisten», sagt die Mutter eines elfjährigen Jungen aus Winterthur, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Wegen einer angeborenen Erkrankung ist ihr Sohn auf den Rollstuhl angewiesen. 

In der vertrauten Kirchgemeinde stiess die Familie bei der Pfarrerin zunächst auf wenig Verständnis. Sie vertrat den Standpunkt, eine Konfirmation sei ein Kirchendiplom und dieses erhalte nur, wer den erforderlichen Unterricht besuche. Die Mutter war schockiert und enttäuscht. «Mir wurde klar: Wenn wir schwach sind und nicht das leisten können, was verlangt wird, so gehören wir nicht mehr dazu.»

Jedes Kind muss mit seiner Situation individuell betrachtet werden.
Sabine Gade, Fachstelle Heilpädagogik bei der reformierten Kirche des Kantons Zürich

Sabine Gade von der Koordinationsstelle Heilpädagogik der reformierten Kirche des Kantons Zürich weiss von anderen Familien, die Ähnliches erleben: «Viele Menschen haben keine Vorstellung davon, wie anspruchsvoll der Alltag mit einem behinderten Kind sein kann.» Gade kennt auch den Einsatz aller Beteiligten, Inklusion umzusetzen. 

Die Pädagogin unterstützt Eltern, Katechetinnen, Pfarrpersonen und Behördenmitglieder, Wege zu finden, wie der kirchliche Unterricht möglich wird. «Jedes Kind muss mit seiner Situation individuell betrachtet werden. Mal funktioniert Inklusion, mal passt eine Teilintegration. Oder es braucht eine massgeschneiderte Lösung», sagt Gade. 

Abbild der Gesellschaft

Diesen Spielraum sehen auch die Richtlinien des religionspädagogischen Konzepts vor.  «Niemand soll nicht konfirmiert werden, weil er aus Gründen von Einschränkung oder Behinderungen nicht in der Lage ist, den kirchlichen Unterricht zu besuchen», betont Sabine Gade. 

Bei der Familie des Elfjährigen hat sich die Situation dank eines Pfarrerwechsels nun entspannt. «Wir spüren, dass wir in den Herzen der Leute willkommen sind. Strukturell gibt es aber viele Barrieren», sagt die Mutter. Wichtig sind deshalb die Grundhaltung und der Wille der Kirche, sichtbare Hindernisse und auch unsichtbare Hürden wirklich abbauen zu wollen. 

Beratungsangebot

Die Fachstelle Koordination Heilpädagogik berät Eltern und Kirchgemeinden bei Fragen der Inklusion und Integration, damit Kinder und Jugendliche mit Behinderungen am kirchlichen Unterricht und der Konfirmation teilhaben können. Wo möglich organisiert sie Assistenzen und Begleitpersonen. 

Zur Fachstelle