Wie wenn pures Glück durch den Gaumen zöge

Advent 2025

Vor Jahrzehnten ging für Anouk Holthuizen eine neue Welt auf. Seither begleitet sie eine kleine Kaffeemaschine permanent durchs Leben – verbunden mit viel Genuss und Liebe.

Das erste Mal war eine Offenbarung. 20-jährig lag ich morgens im Bett meines Freundes, wir hatten soeben die erste Nacht zusammen in seiner WG verbracht. 

Er war in die Küche verschwunden, um Kaffee zu kochen. Eigentlich wollte ich gar keinen, Kaffee war für mich dieses lötige, lauwarme Gebräu aus der Filtermaschine meiner Eltern. Ekelhaft. Doch ich wollte nicht kapriziös wirken und sagte nichts. 

Als mein Freund zwei Tassen hereintrug, stieg mir ein Duft in die Nase, der in mir ein kurzes High auslöste. Stark und eigensinnig war er, und er erfüllte mich mit bis dahin unvertrauter Wohligkeit. «Was für Kaffee ist das?» fragte ich. Mein Freund holte das Wunderding technischer Schlichtheit: eine achteckige Mokkakanne aus Aluminium, unten schwarz von den Flammen des Gasherds, das Ende des Gummihenkels krummgeschmolzen. Eine Bialetti. Ich hatte sie schon passiv irgendwo gesehen, aber noch nie daraus gekostet. 

Dann nahm ich einen Schluck. Die Welt stand still.

Dann nahm ich einen Schluck. Die Welt stand still. Vermutlich spielte auch meine frische Verliebtheit hinein, jedenfalls schien pures Glück durch meinen Gaumen zu ziehen.  

In diesem Moment gelangte mein wichtigstes Ritual in mein Leben. Noch am gleichen Tag kaufte ich mir selbst eine Bialetti. Seither ist meine erste Handlung morgens nach dem Aufwachen immer das Aufsetzen der Mokkakanne. Das Hochblubbern des Kaffees versetzt mich auch 32 Jahre später in einen Zustand freudiger Erwartung, das Trinken der ersten Tasse in ein paar Minuten vollkommener Musse. 

Mir wurden in all den Jahren aus vielen angesagten und schicken Maschinen Kaffee serviert, aber De Longhi, Zurigo, la Marzocco, und wie sie alle heissen – sie bleiben alle blass gegenüber der guten alten Bialetti. 

Interessanterweise haben alle meine Partner mit einer Bialetti den Kaffee zubereitet. Vielleicht ist es reiner Zufall. Vielleicht aber zieht die Mokkakanne eine bestimmte Art Mensch an, die mir einfach liegt. Oder ich verliebe mich leichter, wenn irgendwo im Hintergrund eine Mokkakanne blubbert. Sicher weiss ich nur: Wenn ich morgens dieses satte Gurgeln höre, fühle ich mich am richtigen Ort. Ob allein oder in Gesellschaft.

Adventskalender 2025: Unsere liebsten Dinge

Wir alle haben das wohl: Dinge mit Geschichte und Geschichten. 

Gegenstände, die einem ganz persönlich wichtig und wertvoll sind, auch ohne materiellen Wert. Und zu denen wir lustige, spannende, herzerwärmende, nachdenklich stimmende Geschichten erzählen können.

Solche Lieblinge präsentiert die Redaktion von «reformiert.» in diesem Dezember. Jeden Tag bis Heiligabend finden Sie die Beiträge hier auf der Website und auf Instagram.