Gesellschaft 21. August 2024, von Veronica Bonilla Gurzeler

Unser Lifestyle brennt aus und legt Brände

Gesellschaft

Wer in der Schweiz Kokain konsumiert, sollte wissen, wie der Drogenhandel in Ecuador gerade Sicherheit und Wohlstand gefährdet. 

In Zürich soll eine Linie Kokain mittlerweile weniger kosten als ein Drink. Der Stoff wird heute quer durch alle Schichten konsumiert mit dem Ziel, den faden Alltag zu vertreiben, kurzfristig das Selbstbewusstsein und die Leistungsfähigkeit zu boosten, egal ob im Beruf, auf der Party oder im Bett.

In Ecuador, wo das Kokain in Containerschiffe geschmuggelt und zusammen mit Bananen und Kaffee nach Europa verschifft wird, drängt die Droge, beziehungsweise ihr gieriger Konsum im reichen Norden, meine Verwandten gerade zurück in die Armut. Das tönt übertrieben? Leider nicht. 

In den vergangenen Jahren konnten unsere Familienangehörigen, die in einer Stadt an der Pazifikküste leben, drei kleine, aber erfolgreiche Restaurants aufbauen. Mehrere Erwachsene und eine ganze Schar Kinder lebten von den Einnahmen. Dann kam die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns. Über viele Monate blieben die Gäste weg. Staatliche Hilfe gab es keine. 

Und plötzlich ging alles ganz schnell. Schon länger warnten Experten, Ecuador befinde sich auf dem Weg zum Drogenstaat. Nun trieben fehlende Arbeit und Perspektiven immer mehr Menschen in die Arme der Drogenbanden, die das schnelle Geld versprachen. 

Am weissen Pulver, das hierzulande für den kurzlebigen Ego-Kick geschnupft wird, klebt Blut.

Bis dahin hatte ich Ecuador als stabiles und vergleichsweise sicheres Land gekannt. Anders als die Nachbarländer Peru und Kolumbien war der Andenstaat lange Zeit weder im grossen Stil in die Produktion noch in den Handel von Kokain involviert gewesen. In den vergangenen Wochen und Monaten hörte und las ich nun von einem Staat im Würgegriff der sich konkurrierenden Drogenkartelle. Die Mordrate stieg steil an. Die Restaurants meiner Verwandten blieben erneut leer. Diesmal, weil sich die Menschen kaum noch trauten, ihre Häuser zu verlassen. 

Im Januar 2024 eskalierte die Situation derart, dass der neu gewählte Präsident den Ausnahmezustand ausrief und mit dem Militär rigoros gegen die Drogenmafia vorging. Zurzeit ist die Situation etwas ruhiger, doch zu Ende ist der Drogenkrieg nicht. 

Am weissen Pulver, das hierzulande für den kurzlebigen Ego-Kick geschnupft wird, klebt Blut. Es ist Zeit, dass wir unsere Drogenpolitik überdenken. Und ebenso unseren ausbrennenden Lebensstil, der in anderen Teilen der Welt Brände legt.