Ein Wildbach in der globalen Bilderflut

Medien

Mit dem Internet sind Fotos von aller Welt scheinbar einfach verfügbar geworden. Doch wer garantiert, dass das nachhaltig ist? Eine junge Organisation nimmt diesen Aspekt ernst.

«Es sind Bilder, die die Wahrnehmung der Welt prägen», lautet ein Satz auf Englisch im kurzen Porträtvideo von fairpicture.org. Ein Satz, wie gedruckt – und ähnlich prägnant preist die Organisation ihre Absicht und Dienste auf der Website an: Videos und Fotos seien mehr als Illustrationen, heisst es unter anderem: «Sie bringen unsere Aufmerksamkeit auf Menschen, Orte und Realitäten, deren wir sonst nicht bewusst wären. Unser Ziel ist es, dass ethische Bilder zu gleichen Beziehungen zwischen visuellen Schöpfern, porträtierten Menschen, Kunden und der Öffentlichkeit beitragen.»

Fairpicture betont dabei die lokale Verankerung. Die «visuellen Schöpfer» erzählten ihre Geschichten in ihrer Muttersprache, von der Kultur und dem Verständnis der Gemeinschaft beeinflusst. So entstünden «neue und innovative Wege des ethischen Geschichtenerzählens – hin zu einem entkolonialisierten und fairen Bild».

Die Mission: ethische Bilder 

Die «Mission» der Organisation mit Schweizer Wurzeln sind ethische Bilder und Videos, die allen Beteiligten gerecht werden sollen. Das heisst: Fair sein für die Abgebildeten, die Produzierenden, jene, die die Werke verbreiten und jene, die sie konsumieren, also anschauen und -hören. 

«Fairpicture wurde gegründet, um Machtverhältnisse im Storytelling umzukehren: Bilder sollen nicht über Menschen hinweg entstehen, sondern mit ihnen – auf Augenhöhe, mit Respekt und unter Wahrung ihrer Rechte», sagt Jörg Arnold über die Hintergründe. Er war vor sechs Jahren Initiant des Projektes – das von Anfang an kein Kommunikations-, sondern ein Gerechtigkeitsprojekt gewesen sei. 

In mehr als 90 Ländern

Fairpicture gibt es seit 2019. Der Initiant Jörg Arnold machte die ersten Schritte zusammen mit der Stiftung «Innovation Lab for Global Change». Mit Aurel Vogel und Pamela Stathakis gründete Arnold 2021 die Aktiengesellschaft. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben bisher rund 400 Produktionen weltweit umgesetzt, mit Bildschaffenden in mehr als 90 Ländern. Die zwei Standpfeiler sind die Produktion von Foto- und Videocontent und die FairConsent-App, die das Einholen von Einverständniserklärungen vereinfacht. 2024 erwirtschaftete Fairpicture einen Umsatz von über 600'000 Franken. «Eine sehr engagierte Investor:innenschaft gibt uns den finanziellen Spielraum, um die App auf den Markt zu bringen und weiter zu wachsen», sagt Arnold zu den Aussichten.

Die Absichten des Unternehmens klingen fast schon heroisch, zumal Arnold betont, dass er seine Organisation als Beitrag zu Demokratie und Gerechtigkeit sieht. Das sei nicht übertrieben, ist er überzeugt: «Bilder sind heute Teil des politischen Kampfes. Sie bestimmen, ob wir Menschen als gleichwertig wahrnehmen oder als Objekte fremder Hilfe.» Schliesslich bestimmten Bilder Narrative – und Narrative prägten Macht. «Also schwächen wir Demokratie und stärken autoritäre Strukturen, wenn wir zulassen, dass Bilder Menschen diskriminieren».

Für Fairpicture arbeiten gemäss Angaben von Jörg Arnold Foto- und Videograf:innen in über 90 Ländern. «Viele finden den Weg zu uns, weil sie genug haben von ausbeuterischen Strukturen und von der Unsichtbarkeit ihrer Arbeit», sagt er über deren Motivation. Und wer Kundin oder Kunde werde, sei sich bewusst geworden, dass Glaubwürdigkeit heute nicht verhandelbar sei. Dazu gehörten internationale NGOs, multilaterale Organisationen, humanitäre Akteure.

Ethik schafft Mehrwert

Dabei seien unter anderem Connexio, das Hilfswerk der methodistischen Kirche der Schweiz, die Welthungerhilfe oder Oxfam, eine grosse britische Hilfs- und Entwicklungsorganisation. Diese könnten es sich nicht leisten, auf unfaire Bilder zu setzen, ist Arnold überzeugt. «Wir zeigen, dass ethische visuelle Kommunikation nicht nur ein moralisches Gebot ist, sondern auch einen Mehrwert für Organisationen schafft: Sie gewinnen Glaubwürdigkeit, Vertrauen und können ihre Arbeit transparenter darstellen.»

So wie Kinderarbeit oder Korruption in Lieferketten nicht akzeptabel sind, dürfen auch unfaire Bilder nicht länger akzeptiert werden.
Jörg Arnold, Mitgründer von Fairpicture

Als Werkzeug, das den Verarbeitungsprozess fairer Bilder und Videos vereinfachen soll, hat Fairpicture eine App entwickelt. Diese soll nicht nur die Effizienz steigern, sondern den Paradigmenwechsel begünstigen, sagt Jörg Arnold: «Bilder ohne Einwilligung, ohne Kontext und ohne faire Bezahlung dürfen keinen Platz mehr haben. So wie Kinderarbeit oder Korruption in Lieferketten nicht akzeptabel sind, dürfen auch unfaire Bilder nicht länger akzeptiert werden.»

Kein Luxus, sondern Fundament

Der Unternehmer sieht diese Haltung nicht als Nice-to-have. Zwar werde Ethik heute von vielen als «woke Bedrohung» gesehen. «Doch Ethik ist kein Luxus – sie ist das Fundament von Gerechtigkeit und Wohlstand. Wer in der Krise auf Ethik verzichtet, verabschiedet sich von den Werten, die unsere Gesellschaft zusammenhalten.» Und wer diese Verantwortung ignoriere, verspiele Vertrauen, hält Jörg Arnold fest – «die härteste Währung der Zivilgesellschaft». Ohne Vertrauen gebe es schliesslich keine Spenden, keine Legitimität, keine Wirkung.