Sie notiert begeistert die Blüte der Kastanie

Biologie

Bei Pflanzen ist der Jahreskreislauf immer etwas anders. Im Rahmen von Citizen-Science hilft Brigitte Heiz mit, Daten zu sammeln.

An diesem Dienstag Anfang April zerzaust die bissige Bise selbst mitten in Basel lange Haare und austreibende Blätter an den Zweigen. Prüfend schaut Brigitte Heiz in die Krone der Edelkastanie hinauf. «Jetzt kommt es langsam zur Blattentfaltung», stellt die 58-Jährige fest. 

Zur Veranschaulichung zeigt sie den Vorgang auf ihrem Smartphone. Sie meldet sich an, navigiert zu den Pflanzen, die sie beobachtet, jetzt gerade zur «Castanea Schützen», wie sie den 101-jährigen Baum genannt hat. «Den Beginn der Knospung habe ich beretis notiert», erklärt Heiz.

Die Blattentfaltung notieren

Demnächst folgt der «Beginn der Blattentfaltung», später ist dann die «Allgemeine Blattentfaltung» an der Reihe. Diese Schritte werden auch Phänophasen genannt. «Bei der Phänologie handelt es sich um die Wissenschaft der Entwicklungserscheinungen der Natur, die im Jahreslauf stets wiederkehren», hält Brigitte Heiz fest.

Sie hätte in Biologie doktorieren können, nach ihrer Diplomarbeit über Malariamücken. «Aber dann hätte ich länger im Ausland leben müssen. Das wollte ich nicht», sagt Heiz mit ihrem feinen und offenen Lächeln, das während des Gesprächs im Basler Schützenmattpark immer wieder aufscheint.

Ich finde es faszinierend, was auf unserer Erde so alles kreucht und fleucht, in welcher Vielfalt sich das Leben zeigt.

Jetzt arbeitet die Biologin schon seit 17 Jahren als Koordinatorin eines archäologischen Studiengangs an der Universität Basel. Und auch schon seit ein paar Jahren macht sie mit dem Velo immer wieder halt auf ihrem Arbeitsweg zwischen Oberwil BL und ihrem Büro in der Stadt. Im Schützenmattpark stehen zwei ihrer zurzeit fünf «Objekte»: eine Edel- und eine Rosskastanie.

Sie beobachtet über das Vegetationsjahr, wie sich die Bäume entwickeln. Bestimmte Schritte hält sie per Handy mit einer App fest, als Teil des wissenschaftlichen Projekts PhaenoNet. Dabei werden insgesamt zwölf Phasen statistisch erfasst, zur Auswahl stehen 15 Pflanzenarten. Mitgetragen wird das Projekt unter anderem vom Bundesamt für Umwelt, der Uni Bern, der ETH Zürich und von Meteo Schweiz.

Leiden mit der Birke 

«Diese Art von Citizen-Science, also Wissenschaft für Bürgerinnen und Bürger, finde ich cool. Alle können mitmachen», sagt Heiz begeistert. Tatsächlich sind bei PhaenoNet alle Menschen vom Schulkind bis zur Seniorin eingeladen, bei «ihrem» Baum, Busch oder ihrer Blume regelmässig vorbeizuschauen und Daten zu erheben. Dabei entstehe durchaus eine Beziehung zu den beobachteten Pflanzen, sagt Heiz. «Mit einer Birke zum Beispiel, die gefällt wurde, habe ich richtig mitgelitten.»

Ein fachlicher Hintergrund wie der von Brigitte Heiz ist nicht nötig. Ihr Antrieb sei einfach die Leidenschaft: «Schon als Kind war ich naturbegeistert. Ich finde es faszinierend, was auf unserer Erde so alles kreucht und fleucht, in welcher Vielfalt sich das Leben zeigt.»

Wenn alle Menschen wirklich Respekt hätten vor den Lebewesen – auch den Pflanzen –, wäre die Welt schon etwas anders.

Sie sei reformiert, fühle sich aber nicht religiös, sagt sie. Doch der Respekt vor dem Leben und entsprechende ethische Grundsätze sind für die 58-jährige Mutter von zwei Kindern zentral. «Wenn alle Menschen wirklich Respekt hätten vor den Lebewesen – auch den Pflanzen –, wäre die Welt schon etwas anders», ist sie überzeugt.

Aufgrund ihrer Haltung hat sie schon einmal die Stelle gewechselt. Nach ihrem Studium am Tropeninstitut (heute Swiss TPH) war sie eine Zeit lang in der Pharmaindustrie im Labor tätig. «Das lag mir allerdings nicht so, vom Ideellen her», sagt die Biologin. 

Ohne Lobby

Deshalb wechselte sie in die landwirtschaftliche Forschung, zudem engagierte sie sich bei den Grünen in der Lokalpolitik. Brigitte Heiz hält fest: «Die Natur hat keine Lobby. Und ich verstehe nicht, weshalb sich die Ökonomie für unsere Lebensgrundlagen nicht stärker einsetzt.» Und weiter geht sie, zu ihrem nächsten «Objekt».