Wer bin ich? Wo gehöre ich hin? Und was hat sich Gott bei mir gedacht? Solche Fragen stellen junge trans Menschen der Zürcher Pfarrerin Priscilla Schwendimann. 2022 hat die Kirchgemeinde Zürich mit der Mosaic Church eine niederschwellige Anlaufstelle für queere Menschen geschaffen. Sie versteht sich auch als Antwort auf eine lange bestehende Ausgrenzung in kirchlichen Kontexten. Ein besonderes Augenmerk richtet sie laut eigenen Angaben auf Transidentität.
Während in der Politik über ein mögliches Verbot von geschlechtsangleichenden Eingriffen bei unter 18-Jährigen debattiert wird, finden Betroffene in der Mosaikkirche den Raum, «in dem sie einfach sein dürfen, wie sie sind». Auch Eltern wenden sich an die Pfarrerin. Sie wollen wissen, wie sie ihr eigenes Kind am besten begleiten können, ohne es zu drängen oder gar zu verlieren.
Traumatische Pubertät
Bei Weitem nicht alle jungen trans Menschen, die seelsorgerliche Begleitung benötigen, streben eine Geschlechtsangleichung an. Leichtfertig mache das sicher niemand, sagt Schwendimann. Für so genannte cis Menschen, die sich mit ihrem biologischen Geschlecht wohlfühlen, sei das Leid, das solchen Entscheidungen vorausgehe, kaum vorstellbar. «Es ist ein Ringen mit sich selbst, das extrem viel Mut braucht.» Trans Jugendliche leiden gemäss Studien häufig unter psychischer Belastung. Nicht wegen ihrer eigenen Geschlechtsidentität, sondern weil sie sich gesellschaftlich abgelehnt fühlen. Jede zweite trans Person hat Suizidgedanken.
Priscilla Schwendimann möchte ihnen mit einer seelsorgerlichen Haltung begegnen: «Es geht nicht um Richtig oder Falsch, sondern um Begleitung mit dem Ja Gottes zur Person als Fundament.Die Pubertät werde oft als traumatische Zeit erlebt mit irreversiblen körperlichen Veränderungen. Habe jemand breite Schultern und eine tiefe Stimme entwickelt, lasse sich das später kaum noch beeinflussen, gibt Schwendimann zu bedenken. «Hormonblocker können in dieser Phase sinnvoll sein.» Die Pfarrerin spricht damit ein Thema an, das in der Politik kontrovers diskutiert wird: den Umgang mit Hormonblockern im Rahmen der geschlechtlichen Übergänge bei Minderjährigen. Priscilla Schwendimann deklariert ihre Haltung «als seelsorgerlich, nicht politisch».
Die Hürden erhöht
Regierungsrätin Natalie Rickli (SVP) stellte Anfang Juli an einer Medienkonferenz ein Bündel an Massnahmen vor. So wurde ein interdisziplinäres Kompetenznetzwerk zur Einzelfallprüfung gegründet. Spitäler sind aufgefordert, bei Minderjährigen zurückhaltend vorzugehen. In Zürich sollen Hormonblocker künftig nur noch im Rahmen von wissenschaftlichen Studien abgegeben werden dürfen. Bezüglich Operationen an Minderjährigen gelten neu verschärfte Richtlinien.
Starker Rückgang
Von 2020 bis 2023 wurden im Kanton Zürich pro Jahr zwischen 8 und 14 geschlechtsangleichende Eingriffe an Minderjährigen durchgeführt. Im vergangenen Jahr waren es noch vier. Den Rückgang führt Rickli auf ihren Kurswechsel zurück, den sie mit dem Schutz besonders verletzlicher junger Menschen begründet. Geschlechtsangleichenden Operationen steht Rickli kritisch gegenüber: «Erst mit 18 Jahren kann man wählen, heiraten oder den Wohnort selbst bestimmen, deshalb sollten auch so weitreichende Entscheidungen erst mit der Volljährigkeit möglich sein.» Obwohl der Bericht der Gesundheitsdirektion keine strukturellen Mängel in der medizinischen Praxis feststellt, wird ein nationales Verbot angestrebt. Nationalrätin Nina Fehr Düsel (SVP) hat angekündigt, in der Herbstsession des Parlaments einen Vorstoss für ein neues Gesetz einzureichen.