Alle kennen ihn, persönlich oder aus den Medien, in der «Gloggi-Stube», dem Begegnungsnachmittag der Altstadtkirchen im Cevi-Café. Christoph Sigrist berichtet aus seinen 21 Jahren Pfarramt am Grossmünster, das er mit 61 nun abgibt.
Natürlich hat er einige der Anekdoten schon oft zum Besten gegeben, gerade jetzt, wo viele Medien ihn zum Abschied vom Grossmünster befragen. Und noch ist seine Agenda voll. Doch davon spürt man nichts im kleinen Kreis älterer Menschen. Gut gelaunt unterhält Sigrist die Runde und sucht das Gespräch.
Eine Stadt wie ein Dorf
Genauso präsent zu sein beim grossen Auftritt mit Regierungsvertretern und Prominenten wie beim Kaffee mit den Männern in der «Herberge zur Heimat», ist eine der Stärken des Pfarrers. Das ist auch im Gespräch ein paar Tage nach dem Auftritt in der Gloggi-Stube so. Sigrist nimmt sich Zeit. Wie er so viele Projekte scheinbar mühelos realisieren konnte? Dank seinem Beziehungsnetz, und das habe auch mit dem Niederdorf zu tun, sagt er. Andere Citypfarrer in Europa könnten von solch dörflichen Verhältnissen nur träumen, sagt Christoph Sigrist.
Doch die Ausgangslage muss ein Pfarrer auch nutzen, und das tat er. «Ich war immer unterwegs, in Beizen und Läden, überall da, wo man den neusten Klatsch erfährt.» Und er habe stets Hausbesuche gemacht. Ohne diese Begegnungen hätte er nicht authentisch predigen können, ist Sigrist überzeugt. Genauso wie er auch den tiefen Sinn des Abendmahls erst beim Feiern mit behinderten Menschen entdeckt habe.
Sigrist mag sich nicht mit den sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen aufhalten, lieber spricht er über ihre wichtige Rolle im öffentlichen Raum. «Wir haben Räume, Freiwillige und ein Menschenbild, das rote Linien zieht, dort, wo die Menschenwürde missachtet wird.»
Der Pfarrer überträgt das reformierte Bilderverbot auf die Beziehungen unter Menschen, bedauert, dass man heute nicht mehr streiten könne, sondern den Gegner gleich «versenkt». Er erzählt von seiner Sorge um die Demokratie und von den Kirchtürmen, die für ihn «Erinnerungszeichen» sind, zum Beispiel daran, dass auch der grösste Gegner kein Feind ist, sondern in seiner Kritik immer auch ein Körnchen Wahrheit steckt. «Du hast die Wahrheit nicht gefressen», daran hat er sich immer gehalten.