Als ich an diesem Sonntag im Oktober ins Auto steige, um nach Hause zu fahren, bleibe ich einige Minuten still sitzen. Üblicherweise suche ich in diesem Moment eine passende Playlist auf dem Handy. Doch nun irritiert mich der Gedanke an Musik. Ich verspüre eine tiefe Ruhe in mir. Hat der Geist, von dem mir auf diesem Hügel mitten im Burgund so viele berichteten, tatsächlich auch mich ergriffen?
Rückblende. Zuvor am Donnerstag brause ich (mit lautem Bluesrock) auf der Autobahn nach Frankreich. Mit zwiespältigen Gefühlen blicke ich drei Tagen in der ökumenischen Gemeinschaft Taizé entgegen. Der Schweizer reformierte Theologe Roger Schutz hatte sie 1944 gegründet, heute leben dort 60 Brüder verschiedener Länder und Konfessionen. Gemeinsam mit Dutzenden Freiwilligen begrüssen sie jährlich Zehntausende Jugendliche, die zumeist eine Woche bleiben, dreimal am Tag singen und beten sowie Workshops zu biblischen und gesellschaftlichen Themen besuchen.
Massenveranstaltungen sind mir suspekt. Als ich zum Parkplatz fahre, sehe ich Baracken, Campingplätze und überall Menschen. Attraktiv sieht der Ort nicht aus. Doch kommen viele immer wieder her, und mancher Mann tritt der zölibatär lebenden Bruderschaft bei. Ich will herausfinden, was die Anziehungskraft von Taizé ist.