«Freiheit führt zu mehr Tiefe»

Neue KUW

Wenn sich Jugendliche bewusst für Angebote entscheiden, erleben sie laut Carsten Heyden mehr Tiefe.

Hat die reformierte Kirche die Jugend entdeckt oder bisher einfach ein wenig vergessen?

Carsten Heyden: Die Kirche hat die Jugend nicht vergessen. Aber wir nehmen ernst, dass die Lebenswelten junger Menschen sich so stark verändert haben und vertraute Angebote nicht mehr automatisch funktionieren. Unsere Begegnungen mit Jugendlichen – etwa an unserer Gesprächssynode – haben junge Menschen gezeigt, die Kirche kreativ mitgestalten möchten.

Sind diese Jugendlichen die Zukunft der Kirche?

Sie sind die Gegenwart! Wir können gar nicht ohne sie sein. Kirche lebt davon, sich zu öffnen, zuzuhören und sich an Menschen zu freuen, die neue Wege gehen.

Carsten Heyden, 56

Carsten Heyden, 56

Er ist Religionspädagoge mit Schwerpunkt Gemeindepädagogik und seit September 2021 Leiter des Projekts «Zukunft der KUW» der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. Er steht im Austausch mit den Kirchgemeinden.

Geht mit der Wahlfreiheit nicht auch etwas verloren? Etwa die gemeinsame Klasse?

Die gemeinsame Zeit geht nicht verloren, sie verändert lediglich ihre Form. Zahlreiche Kirchgemeinden schaffen Orte, an denen alle zusammenkommen. Erlebnisse dieser Art stiften eine andere Gemeinschaft als ein Klassenmodell.

Was versprechen sich Kirchgemeinden, die Jugendliche die KUW-Angebote wählen lassen?

Wahlfreiheit ist eine zeitgemässe Form, Verantwortung zu teilen. Jugendliche erleben dann die Kirche als Raum, in dem ihnen etwas zugetraut wird. Die Erfahrungen der Projektgemeinden zeigen, dass diese Freiheit zu mehr Tiefe führt. Wer sich entscheidet, statt einfach anwesend zu sein, erlebt Glauben, Bildung und Gemeinschaft verbindlicher und persönlicher.

Wo religiöse Vorprägungen fehlen, öffnen sich Räume für eigene Erfahrungen.
Carsten Heyden, Projektleiter «Zukunft der KUW»

Mit welchen Angeboten kann man Jugendliche heute abholen?

Fragen Sie am besten die Jugendlichen. Man erreicht sie, wenn ihre Ideen und Fragen willkommen sind und ihre Lebensrealität zählt.

Kann die Kirche Jugendliche erreichen, wenn zu Hause kaum noch religiöse Sozialisation stattfindet?

Vielleicht ist das eine Chance. Wo religiöse Vorprägungen fehlen, öffnen sich Räume für eigene Erfahrungen. An einer Brücke meiner Heimatstadt hiess es: «Wo nichts mehr geht, fängt alles an.» Ein wunderbarer Blick auf scheinbare Verlustprozesse! Freiheit macht Begegnungen kostbar und lädt zum Entdecken ein. Als Kirche haben wir nicht das Recht, uns selbst zu genügen.