Glaube 13. November 2024, von Carole Bolliger/Kirchenbote

Medizin gegen den Pfarrmangel

Kirche

Vielen Kirchgemeinden in der Schweiz gehen die Pfarrerinnen und Pfarrer aus. Eine Antwort auf den Pfarrmangel ist der Quereinstieg in das Theologiestudium. Mit wachsendem Erfolg.

Viele Pfarrstellen in der Schweiz sind vakant, und die Zahl der regulären Studienabgänger reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken. Verschärft wird die Situation durch die bevorstehende Pensionierungswelle unter den Pfarrpersonen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wird das Quest-Studienprogramm an den Universitäten Zürich und Basel angeboten. 

In Bern läuft es  unter dem Namen «Ithaka». Das Studium richtet sich an Akademiker zwischen 30 und 54 Jahren, die bereits einen Masterabschluss in einem anderen Fachgebiet vorweisen können. Es handelt sich um ein verkürztes Theologiestudium, gefolgt von einem einjährigen Lernvikariat in einer Kirchgemeinde.

Für spät Berufene

Seit dem Start des ersten Studiengangs im Herbstsemester 2015 hat sich das Programm als wichtiger Baustein in der Nachwuchsförderung etabliert. Laut Ursula Vock, Beauftragte für die Quest-Ausbildung bei der Aus- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer, waren bisher rund 90 Personen im Quest unterwegs, davon drei Fünftel Frauen. Die grösste Gruppe sind die 40- bis 50-Jährigen. 

«30 Personen wurden seit dem Quest-Start 2015 ordiniert, davon sind nach unserem Kenntnisstand zwei von ihnen nicht im Pfarrberuf», sagt Vock.  

Keine Theologie light

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Quest-Studiums bringen wertvolle Erfahrungen und Kompetenzen aus ihren vorherigen Berufsfeldern mit. Die Bandbreite der Hintergründe ist gross: Von Juristen über Chemiker bis hin zu Psychologen finden sich verschiedenste Fachrichtungen. Diese Vielfalt bereichert nicht nur das Studium selbst, sondern auch die spätere Arbeit in den Kirchgemeinden. 

Trotz der Verkürzung des Studiums handelt es sich keineswegs um eine «Theologie light». Die meisten Studierenden benötigen vier bis fünf Jahre für den Abschluss, nur in Ausnahmefällen wird das Studium schneller absolviert. Das Programm ist anspruchsvoll und erfordert von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein hohes Mass an Engagement und Durchhaltevermögen. 

Eine neue Herausforderung

Das kann Elisabeth Huber bestätigen. Die heute 58-Jährige hat das Quest-Studium 2018 angefangen, 2022 beendete sie das Studium und absolvierte danach das Vikariat im 50-Prozent-Pensum in Baar und Luzern. Seit kurzem arbeitet sie in Teilzeit in der Seelsorge im Kantonsspital Zug und als stellvertretende Pfarrerin in der Teilkirchgemeinde Luzern-Stadt. «Ich hatte mir das Studium nicht so intensiv vorgestellt», gesteht sie. Trotzdem hat es sich für sie gelohnt. 

Nach intensiven Berufsjahren in der beruflichen Weiterbildung und Organisationsentwicklung sowie im Journalismus suchte sie nochmals eine neue berufliche Herausforderung. «Ich wollte dem Leben nochmals auf den Grund gehen und habe gemerkt, dass das Quest-Studium der richtige Weg für mich ist», erzählt sie. Im Nachhinein würde sie sich sogar wünschen, sie hätte diesen Weg schon ein paar Jahre früher für sich entdeckt. 

Die Nachfrage steigt

Die Finanzierung des Studiums stellt für viele Teilnehmende eine Herausforderung dar, insbesondere da viele von ihnen Familien haben, die sie weiterhin unterhalten müssen. Als Reaktion darauf wurden verschiedene Unterstützungsmassnahmen eingeführt, darunter Stipendien der Landeskirchen und eine deutliche Erhöhung des Lohns während des Vikariats.

Für die Zukunft der reformierten Kirche in der Schweiz spielt das Quest-Studium eine wichtige Rolle. Und die Nachfrage dürfte steigen. Wie Ursula Vock sagt, waren am Informationsabend für den nächsten Studiengang gut ein Drittel mehr Interessierte anwesend als in den beiden Vorjahren. 

«Wir erhoffen uns mehr Bewerbende, weil die kirchlichen Zulassungsbedingungen an jene der theologischen Fakultäten für die spezialisierten Masterstudiengänge Christentum in der Gesellschaft (ZH) bzw. Christianity (BS) angeglichen wurden.» Neu können auch Interessierte mit einem universitären Bachelorabschluss oder solche mit einem Bachelorabschluss einer Fachhochschule mit Mindestnote 5 ungerundet zum Aufnahmeverfahren zugelassen werden.