Porträt 29. Mai 2024, von Marius Schären

Des Pfarrers späte Bekehrung im Garten

Ökologie

Vor fünf Jahren erlebte Ueli Bukies eine Veränderung. Und jetzt ist sein Pfarrgarten Teil eines Schmetterlingskorridors.

Streng gestutzte Buchsbäume, Rosen im klar begrenzten Beet und kurzer grüner Rasen prägen das Bild auf der Eingangsseite der Kirche im malerischen Dorf Walperswil. Doch wer dann rundum geht und den Blick schweifen lässt von der Terrasse des Pfarrhauses über Ueli Bukies’ Wohnort, die Gartenfläche mit dem stattlichen Pfarrhaus daneben und die Wiese am steilen Hang zur weiten Ebene des Berner Seelands hin, entdeckt eine wilde Vielfalt.

Hier hat der 66-jährige Pfarrer in den letzten fünf Jahren sein «Paradies» zu schaffen begonnen. Dieses ist weit entfernt von sauberen Rabatten und geraden Plattenwegen: Es gibt Holzscheit- und Reisighaufen, hohe Wiesen, einzelne Büsche, alte Obstbäume, diverse Blumen und auf der anderen Seite des Pfarrhauses eine Hecke aus verschiedensten einheimischen Gewächsen. Dieser Raum ermöglicht vielen Tieren, ein Zuhause zu finden.

Permanenter Gottesdienst

Ueli Bukies sieht das Ganze als «Garten-Wohngemeinschaft», mit sich selbst als Mitbewohner, wie er lächelnd sagt. Hier fühle er sich viel wohler als früher. «Weil ich sehe, wie sich andere Lebewesen wohlfühlen.» Angesichts all dieser Wesen denke er, das sei im ursprünglichen Sinn des Schöpfergottes, der gleich zu Beginn der Bibel als Gartenbauer auftrete, später auch in den Psalmen, gelobt von Pflanzen und Tieren. «So ist es für mich ein permanenter Gottesdienst, wenn ich durch den Garten gehe», sagt der Theologe.

Ich denke aber, als Christ, der Jesus ernst nimmt, bist du einfach ein sanfter Revoluzzer.

Man könnte ihn jetzt wohl als «Blüemli- und Bienli-Pfarrer» bezeichnen, meint Bukies verschmitzt. «Ich denke aber, als Christ, der Jesus ernst nimmt, bist du einfach ein sanfter Revoluzzer.»

Bevor Bukies und seine Frau nach Walperswil kamen, war ihm dieses Eingebettetsein in die Lebensvielfalt noch nicht nahe. «Als Teil der Schöpfungsgemeinschaft war ich bis dann eher unbeteiligt.» Der aus Deutschland stammende Pfarrer absolvierte zuerst eine freie theologische Ausbildung in Riehen. 

Mit seiner Frau war er für die Bibelübersetzungsorganisation Wycliffe zehn Jahre im westafrikanischen Benin, dann weitere sechs Jahre in der Administration in Biel. Erst anschliessend wurde Bukies reformierter Pfarrer.

Verbriefte Vielfalt 

Ein Reihenhaus mit Kirschlorbeer, Thuja und regelmässig gemähtem Rasen: Das sei für ihn während der elf Jahre als Pfarrer im aargauischen Villmergen normal gewesen. Doch als sie dann nach Walperswil zogen, erfolgte seine «ökologische Bekehrung», wie es Bukies nennt. «Wenn du hierherkommst, kannst du eigentlich gar nicht anders, als dich dafür zu interessieren», sagt er mit einer einnehmenden Begeisterung, die unmittelbar zu spüren ist, sobald er über Biodiversität spricht.

Ich glaube, die Zeit wird kommen, wo Schwerter zu Pflugscharen werden und wir nicht mehr im Schweisse unseres Angesichts gegen Dornen und Disteln kämpfen.

Die Vielfalt von Bukies’ Lebensgemeinschaft ist sogar verbrieft: Mit der Unterzeichnung einer Gartencharta und der Begutachtung durch den Verein «Wild und schön» wurde der Pfarrgarten Teil des Schmetterlingskorridors zwischen Kerzers und Magglingen. Das Projekt will auf dieser Strecke Landbesitzende unterstützen und dafür sorgen, dass möglichst viele Flächen eine hohe Biodiversität aufweisen. 

Die grosse Utopie

Pfarrer Bukies selbst ist schon bald weg aus seinem Paradies. Auf den Herbst hin soll seine Stelle neu besetzt werden, mit seiner Frau zieht er dann ins nahe Kappelen. Aber er sagt: «Ich habe wahnsinnig viel gelernt, diese Erfahrung kann mir niemand nehmen.» Er ist zuversichtlich, dass das Land um Kirche und Pfarrhaus als Lebensort weiterhin für die Artenvielfalt gestaltet wird.

Er sei Utopist, sagt Ueli Bukies weiter mit tiefer Überzeugung. «Ich glaube, die Zeit wird kommen, wo Schwerter zu Pflugscharen werden und wir nicht mehr im Schweisse unseres Angesichts gegen Dornen und Disteln kämpfen.»