Eine Geschichte aus Tränen, Blut und grosser Hoffnung

Theologie

Wie war das mit dem Volk Israel, das unter der Führung von Moses 40 Jahre durch die Wüste zog? Ein neues Buch von Klaus Bäumlin erklärt das biblische Epos für ein breites Publikum.

Das lateinische Wort Exodus bedeutet Auszug. So heisst das zweite Buch der Bibel, und es berichtet vom Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, seiner wundersamen Errettung vor den ägyptischen Verfolgern, seinem 40-jährigen Aufenthalt in der Wüste und der Nähe zu seinem unsichtbaren Gott Jahwe, die sich in dieser Zeit herausbildete. 

Das biblische Epos handelt aber auch von der Führergestalt des Moses, jenes feurigen Mannes, der einen ägyptischen Sklavenaufseher umbrachte, fliehen musste, im Land Midian bei einem viehzüchtenden Priesterscheich Asyl fand und dessen Tochter heiratete. Beim Hüten des Viehs sah er einen brennenden Dornbusch, in dem sich ihm Gott offenbarte und ihm den Auftrag gab, nach Ägypten zurückzukehren und das geknechtete Volk Israel in die Freiheit zu führen. 

Was Moses denn auch tat und jenes Geschehen in Bewegung setzte, das als der biblische Exodus in die kollektive Erinnerung der jüdisch-christlichen Welt eingegangen ist, eine Geschichte voller Dynamik und überraschender Wendungen.

Von Gott und den Menschen 

Die Exodus-Geschichte gehört zur DNA des Judentums und des Christentums. Hier kommt fast alles Relevante vor: der sich offenbarende Gott, die Zehn Gebote, das Goldene Kalb, Gott als wunderbarer Retter in höchster Not und vieles mehr. 

Nur, dass in der Durchschnittsgesellschaft kaum mehr jemand Kenntnis von dieser zentralen Menschen- und Gotteserzählung hat. Höchste Zeit also, diese Geschichte wieder ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Eine gute Gelegenheit, in diese Erzählung einzutauchen und die Welt des Alten Testaments der Bibel kennenzulernen, ist das soeben erschienene Buch «Auf dem Weg zur Freiheit» des Berner Theologen Klaus Bäumlin: Es trägt den Untertitel «Das Buch Exodus – erklärt für Menschen von heute».

Der Gott, der sich Moses offenbart, ist kein Allerweltsgott.
Klaus Bäumlin, Theologe und Buchautor

Der Autor zeichnet in einer allgemein verständlichen Sprache den biblischen Text nach, indem er ihn in überschaubare Themenbereiche gliedert. Jedes Kapitel ist einem besonderen Aspekt der Geschichte gewidmet, etwa der Unterdrückung der Israeliten durch die Ägypter, der Flucht Mose nach Midian, dem jüdischen Passahfest, dem historischen Kern des Exodus, den Zehn Geboten, ethischem Handeln gegenüber Menschen, Tieren und der Natur, dem Goldenen Kalb und anderem mehr. Auf rund 250 Seiten entfaltet Bäumlin so das Panorama einer biblischen Geschichte, die in ihren Erzählsträngen und -schichten wenig historisch Verbürgtes, dafür aber umso mehr glaubensmässig Erfahrenes, Erlebtes und Verinnerlichtes berichtet und festhält.

Bei der Lektüre wird einmal mehr klar, wie eng das Judentum und das Christentum miteinander verbunden sind. Denn der Gott, der sich Mose offenbart, ist «kein Allerweltsgott», wie Bäumlin schreibt. «Er ist und bleibt zunächst der Gott Israels, der Gott der Juden.» Sprich: der Gott, mit dem bereits vor Moses auch schon der Erzvater Abraham einen Bund geschlossen hatte. 

Was damals von Gott verheissen worden sei, erfülle sich Jahrhunderte nach Abraham und Moses in Jesus Christus – «über Israel hinaus für alle Völker», hält Bäumlin fest. Es handle sich um einen Gott, «der weiss, wie die Menschen dran sind, und ihr Elend sieht. Er sieht und hört. Sein Augenmerk und sein Hören gelten den Elenden, den Armen und Unterdrückten.»

Die zwei Seiten Gottes 

«Im Buch Exodus zeigt sich Gott mit zwei Seiten, einer hellen und einer dunklen Seite», schreibt der Theologe weiter. «Er ist der erbarmende, der befreiende, rettende Gott, er ist auch der zornige Gott, der sich abwenden, ja der vernichten kann.» Wer sich ein Bild vom ausschliesslich gütigen und gnädigen Gott zurechtlege, erhebe die Gnade zum absoluten Prinzip. Wer an Gott jedoch nur die dunkle Seite sehe, mache aus ihm einen «strafenden Götzen». An der Spannung zwischen den beiden Seiten arbeite sich das Buch Exodus ab – «und darüber hinaus die ganze Bibel». 

Klaus Bäumlin: Auf dem Weg zur Freiheit. Das Buch Exodus. Luther Verlag, 2024.Vernissage mit Wort und Musik: 26. Februar, 19.30 Uhr, Nydeggkirche, Bern