Die Wasserkirche-Arche steht gewissermassen verkehrt herum im Kirchenschiff. Der Bug zeigt zum Ausgang, limmatabwärts, weist also nach vorn, in die Zukunft, als wolle er fragen: Wohin werden wir fahren, was gilt es mitzunehmen und zu retten? Grossmünsterpfarrer Martin Rüsch sieht in ihr «eine Metapher für das 21. Jahrhundert».
Ein Gefährt in die Zukunft
Sie soll aber nicht in erster Linie ans Sintflutartige unserer Zeit erinnern, an Überflutungen, Klima- und andere Katastrophen oder gar den Untergang der Kirchen. Ganz im Gegenteil: «Sie steht für Aufbruch, Wagnis und Neuanfang, ist ein Bild der Hoffnung, ein Setzen auf das noch Unsichtbare.» Rüsch weist auch auf das Spannungsfeld dieser Installation hin: Das Kirchenschiff selber stehe für die Statik, das Gebaute fürs Volk, während die Arche das Bewegliche verkörpere. «Auch ist die Arche ein Mittel zum Übersetzen, hin zu Neuland; und wir feiern in diesem Jahr ja auch 500 Jahre Bibelübersetzung.»
Die «Arche 2.0» ist aber nicht nur Kunstobjekt mit Symbolgehalt, sondern auch Begegnungsort, Bühne und Podium für diverse Veranstaltungen bis Ende Oktober. Und eben auch eine Version 2.0 will sie sein; neu und interaktiv und kollaborativ. Im Vorfeld bewarb das Wasserkirche-Team auf Instagram witzig das Anlanden der Arche: Den Stadtplan studierende Spielzeugtiere machten sich auf zum rettenden Schiff.
Anfang Februar haben dort bereits Veranstaltungen stattgefunden. Eine szenische Lesung für Kinder mit dem Titel «An der Arche um acht», die spielerisch grosse Fragen stellt wie: Was ist Glaube? Gibt es Gott? Oder eine Diskussionsrunde rund ums Wasser mit dem Titel «Wer eine Arche baut, spinnt». Auf Kommendes darf man sich freuen: Das «Ministry for the Future» etwa, das die Klimakrise lösen will oder Literarisches rund um das 500-Jahr-Jubiläum der Prophezey, der von Zwingli gegründeten Priesterschule.
Harmonisch im Kirchenschiff
Dass es so weit kommen konnte, ist einem Viererteam zu verdanken, das das Projekt in eineinhalb Jahren Vorbereitung aus der Taufe hob. Der Ideen- und Impulsgeber war einer, der schon seit Jahren den Winter über mit seinem Schiff im Herzen von Zürich vor Anker geht: Herzbaracken-Betreiber und Theaterproduzent Federico Emanuel Pfaffen. Er stiess mit seiner «fantastischen Vision von einem Schiff im Kirchenschiff im Sturm der Gezeiten» bei Grossmünsterpfarrer Martin Rüsch und Wasserkirche-Kuratorin Klara Piza auf Gehör.
Für die Umsetzung empfahl Pfaffen den Szenografen Simeon Meier, der einen beeindruckenden Bau realisiert hat, der sich harmonisch ins Kirchenschiff der Wasserkirche einfügt. Wer am Heck die Treppen der Tribüne erklimmt, steht auf Augenhöhe mit den berühmten Kirchenfenstern von Augusto Giacometti von 1942. Und wie bei Noahs Original gibt es in der Arche ein hölzernes Fenster, das sich von innen öffnen lässt. Es gibt den Blick auf den Taufstein der Wasserkirche frei, der laut Martin Rüsch bald auch wieder genutzt werden soll.
Die mythologische Arche steckt ja voller Symbolik: Sowohl die gotischen Bögen (englisch «arches») als auch die Arche selbst symbolisieren Verbindung, Übergang und verknüpfen das Irdische, Menschliche mit dem Göttlichen. Sie steht für die Errettung aus der Gottlosigkeit und gilt auch als Vorbild für die Taufe: aus dem Wasser zum Licht. In der neueren christlichen Lesart steht sie auch für Christus, den Retter der Menschheit. Der Kirchenvater Chrysostomos hatte um 360 n. Chr. die Symbolkraft wie folgt beschrieben: «Die Arche ist die Kirche, Noah ist Christus, die Taube der Heilige Geist und der Ölzweig die Güte Gottes.»