Glaube 22. April 2024, von Marius Schären

Frohes Schaffen in einer grossen Vielfalt

Kirchgemeinde

Ein Engagement im Kirchgemeinderat schien für Anaël Jambers noch vor anderthalb Jahren unmöglich. Und jetzt hat sie bereits 100 Tage als Präsidentin in Muri-Gümligen hinter sich.

Für Anaël Jambers sind nun etwas mehr als 100 Tage im Amt vergangen, und sie sagt von ganzem Herzen: «Ich mache das so gern, ich habe so viel Freude bei dieser Arbeit!» Die Mediatorin und Sozialanthropologin ist seit Anfang Jahr Präsidentin des Kirchgemeinderates von Muri-Gümligen. Das wirkt überraschend – mit Blick auf die Vorgeschichte. Denn in der Vergangenheit war beim damaligen Rat und Pfarrteam wenig Bereitschaft da, Jambers’ Interesse für ein Engagement Platz zu geben, wie 2022 ein Bericht in «reformiert.» zeigte.

Doch die Hintergründe vor ihrer Wahl in den Rat möchte die 37-Jährige nicht gross ausbreiten, das ist im Gespräch spürbar. Nicht, weil sie etwas zu verbergen hätte, sondern, weil sie viel lieber in die Zukunft blickt. Zur Entwicklung ihrer Kirchgemeinde mit 53 Mitarbeitenden sagt Jambers: «Wir haben viel zu tun.» Ihre Kirchgemeinde in der Agglomeration der Bundesstadt sei geprägt von enormer Vielfalt. «Und auch das Team der Pfarrpersonen ist sehr divers und mit breiten Interessen aufgestellt, fähig und kompetent.» In diesem Potenzial sieht Anaël Jambers Chancen.

Ängste und Vorurteile 

Aber wie kam es zur überraschenden Wende mit Jambers im Präsidium? Sie habe sich bereits vor einigen Jahren für Freiwilligenarbeit mit Geflüchteten gemeldet, erzählt die Ethnologin. «Da erlebte ich zum ersten Mal die Kirchgemeinde Muri-Gümligen ausserhalb der Gottesdienste, und ihre Professionalität imponierte mir.» Ihr Interesse an der Ratsmitarbeit stiess damals noch auf Ablehnung. Einige Jahre später reagierte sie auf ein Neujahrsinterview mit den Co-Präsidentinnen mit einem kritischen Leserbrief, «den ich nicht mehr so formulieren würde». Und zusammen mit ihrem politischen Engagement bei der Evangelischen Volkspartei (EVP) habe das offenbar Ängste und Vorurteile ausgelöst, glaubt sie. 

Anaël Jambers, 37

Die Mediatorin und Sozialanthropologin lebt seit elf Jahren in Muri bei Bern. Beruflich war sie in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert, mit Aufenthalten in Afrika und Asien. Zuletzt war sie im Generalsekretariat der EVP angestellt, jetzt arbeitet sie als selbstständige Mediatorin und an ihrer Dissertation, einer Ethnografie über christliche Bundesparlamentsmitglieder. Sie hat zwei Kinder.

Just nach dem Artikel in «reformiert.» vorletzten Herbst näherten sich Kirchgemeinderat mit Pfarrteam und das interessierte Gemeindemitglied einander aber wieder an. Ein Treffen mit den Co-Präsidentinnen entwickelte sich konstruktiv, und von einer Pfarrperson kam die Anfrage, ob sie denn auch bereit wäre, das Ratspräsidium zu übernehmen. Nach Gesprächen zeigte sich, dass eine Zusammenarbeit vorstellbar wäre. 

So kam es, dass die Mediatorin Ende 2022 in den Rat gewählt wurde, im Sommer 2023 zusammen mit Annina Amonn den Rat leitete und seit Anfang 2024 als Präsidentin wirkt. Die Zusammenarbeit mit der Vizepräsidentin Amonn und dem ganzen Rat sei «engagiert und konstruktiv, trotz – und vielleicht dank – des Aussprechens unterschiedlicher Haltungen», rühmt Anaël Jambers.

Ansprechen und klären

Dass sie sich wohlfühlt in diesem Amt und an diesem Ort, ist beim Gespräch im Alten Pfarrhaus gut spürbar. Das grosszügige Anwesen wurde vor rund drei Jahren zu einem Zentrum des Zusammenseins umgebaut: mit Kaffeebar und kleinen Mahlzeiten, Räumen für Co-Working, für Anlässe und mit grossem Garten, der zum Sein, Sinnieren und Spielen einlädt; einer von Jambers’ Lieblingsorten, wie sie sagt.

Man ist ja immer nett miteinander im kirchlichen Umfeld. Aber das stimmt oft nur vordergründig.
Anaël Jambers, Kirchgemeinderatspräsidentin Muri-Gümligen

Dass sich ihr Team, die Pfarrpersonen und die Mitarbeitenden wohlfühlen in der Kirchgemeinde und mit Freude arbeiten kommen, sei ihr ein grosses Anliegen. Doch das entstehe gerade im kirchlichen Umfeld nicht einfach so, betont die Mediatorin: «Man ist ja immer nett miteinander. Das stimmt aber oft nur vordergründig.» Ein gutes Klima setze voraus, dass Dinge angesprochen und geklärt würden.

Mit Freude und Tatkraft

Im vergangenen Jahr begann Anaël Jambers schon als Ratsmitglied, Gespräche mit den Festangestellten zu führen. Und der Rat startete mit dem Kirchgemeindeteam einen Visionsprozess. «Dabei gehen wir Fragen an, was uns als Kirchgemeinde ausmacht, wie die Kirchgemeinde mit zehn Prozent weniger Geld aussehen könnte, was uns bei der Arbeit erdet, wir klären Rollen, Strukturen und Kompetenzen», führt Jambers aus. Alle müssten merken, dass es in der ganzen Kirchgemeinde um ein Miteinander auf Augenhöhe gehe, auch in Vielfalt. Und so blickt die Ratspräsidentin mit Freude und Tatkraft voraus.