Gesellschaft 02. Oktober 2024, von Mirjam Messerli

Sie teilen mehr als Haus und Garten

Stadtkloster

Gemeinsam leben, arbeiten und spirituell unterwegs sein –  das erproben seit einem Jahr die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtklosters Frieden in Bern. 

Elf Erwachsene, bald acht Kinder und sechs Meerschweinchen – das sind die Zwei- und Vierbeiner, die das Stadtkloster Frieden in Bern bewohnen. Eingezogen sind drei Familien und Einzelpersonen ins ehemalige Pfarrhaus und ins Sigristenhaus auf dem Gelände der reformierten Friedenskirche. Auf ihrem Hügel sieht sie aus, als ob sie den Berner Mattenhof behüten würde. 

Auch im Quartier wohnen Menschen, die sich im Verein Stadtkloster Frieden engagieren. Sie wollen gemeinsam leben, den Glauben pflegen und das Areal unterhalten. Dabei soll das Stadtkloster ein offener Ort für alle sein: ein Treffpunkt fürs Quartier, eine Ruheoase in der Stadt, Raum für Spiritualität, Austausch und Veranstaltungen. 

Das Leben hier ist intensiv und fühlt sich sehr reich an.
Carolina Steiner, Bewohnerin Stadtkloster Frieden

Es ist ein Montagabend, an dem die Stadtkloster-Gemeinschaft jeweils zusammen isst. Heute in der Wohnung von Bettina Jans-Troxler und ihrer Familie. Weil noch Gäste dazukommen, verteilen sich die Leute auf mehrere Räume und Tische. 

Es ist ein Gewusel, der Geräuschpegel ist hoch. Man kann spüren, was Carolina Steiner am Nachmittag bei ihrem Rückblick auf das erste Jahr im Stadtkloster gemeint hat: «Das Leben hier ist intensiv und fühlt sich sehr reich an.» 

Die Idee reifte lange

Die Idee eines Stadtklosters in Bern reifte lange in den Köpfen der Gründungsmitglieder. «Ein Teil von uns pflegte bereits in der Johanneskirche im Nordquartier unser Ritual mit den gemeinsamen Nachtgebeten. Dann zeichnete sich ab, dass dort die Kirchenräume anders genutzt werden sollten», erzählt Simon Gyger. Er ist Schreiner und Innenarchitekt und wünschte sich bereits seit Längerem einen Ort, an dem Menschen «mehr teilen als nur ein Haus und einen Garten». 

Infos zu Ort und Angebot

Das Stadtkloster Frieden in Bern ist ein Ort, an dem Gebet, Gemeinschaft und Arbeit zusammenkommen. Ein Ort des Verweilens und der Entschleunigung. Interessierte können mehr über das Stadtkloster und aktuelle Veranstaltungen erfahren unter www.stadtkloster-frieden.ch 

Zusammen mit der Gesamtkirchgemeinde Bern wurde die Idee entwickelt, auf dem Areal und in der Friedenskirche ein Stadtkloster einzurichten. Im Dezember 2022 erfolgte die Vereinsgründung, und im Juli 2023 zogen neun Erwachsene und sieben Kinder ein. «Wir sind für das Projekt alle eine grosse Verpflichtung eingegangen», sagt Bettina Jans-Troxler. Sie ist Theologin und Heilpädagogin und sitzt für die EVP im Stadtparlament. 

Wie arbeitsintensiv das erste Jahr werden würde, hätte sich niemand vorstellen können. «Das war auch gut so», sagt Bettina Jans-Troxler. Inzwischen hat sich alles etwas eingependelt. Manche haben ihr Arbeitspensum ausserhalb des Stadtklosters reduziert, um mehr Zeit zu haben, den Begegnungsort zu entwickeln. Räume werden vermietet, Gästezimmer sind geplant, Veranstaltungen müssen organisiert werden, und der Unterhalt der Gebäude und die Gestaltung des Aussenraumes sind zeitaufwendig. 

Sämtliche Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtklosters bezahlen Miete für Zimmer oder Wohnung. Das bedeutet, die «weltlichen» Jobs müssen weiterlaufen. Die Sozialarbeiterin Carolina Steiner erlebt die Kombination von Arbeitsleben und klösterlichem Leben als bereichernd. Und Bettina Jans-Troxler staunt über die vielen Fähigkeiten, die im Stadtkloster zusammenkommen. «So haben wir bis jetzt alle Herausforderungen gemeinsam gemeistert.» 

Ohne Diskussionen oder den einen oder anderen Konflikt lief das alles nicht ab. «Wir teilen unser Leben. Das ist herausfordernd», sagt Carolina Steiner. Man ist zu einer Gruppe zusammengewachsen, und alles Weitere braucht nach wie vor seine Zeit. Schön sei es zu sehen, wie sich um das Stadtkloster herum ein Freundeskreis bilde. Menschen aus dem Quartier oder von etwas weiter weg nehmen an den Nachtgebeten teil oder packen bei den Arbeiten mit an.

Auch im Quartier fühlt sich die Stadtkloster-Familie angekommen. Am Anfang sei eine gewisse Skepsis zu spüren gewesen. «Verständlicherweise haben sich manche Leute wohl gefragt, was da nun für eine Gruppe kommt und was die hier macht», sagt Carolina Steiner.

Der Glaube gibt Halt

Halt in turbulenten Zeiten gibt allen der gemeinsam gelebte Glaube: Auch wenn sich die Gruppe mal uneins ist, trifft sie sich am Abend zum gemeinsamen Gebet. «Sich zusammen auf etwas Grösseres auszurichten, setzt doch vieles in Relation», findet Bettina Jans-Troxler. 

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Stadtklosters Frieden freuen sich auch über die Reaktionen von ausserhalb. «Gerade junge Menschen sind fasziniert vom Ansatz, materielle Dinge zu teilen», sagt Simon Gyger. Auch in der Klasse der 11-jährigen Sofia ist das Stadtkloster manchmal ein Thema: «Ich erkläre dann, wie wir hier leben.» Ihr gefällt es. «Es sind immer Kinder zum Spielen da.»