Glaube 29. Juni 2024, von Marius Schären

Die Kirche als Community erfahrbar machen

Gottesdienst

Im Herbst startet mit der Sharing Community in St. Gallen ein Kurs. Er will Laien ermöglichen, kirchliche Feiern zu leiten. Die Berner Landeskirche ist erfreut und interessiert.

«Wir gehen neue Wege.» Das ist einer von vielen Sätzen auf der Website der Sharing Community – der teilenden Gemeinschaft also –, mit denen diese für vielfältige Formen des Feierns in der Kirche wirbt. In einer neuen Weiterbildung sollen ab Herbst interessierte Laien so vorbereitet werden, dass sie jeweils zu dritt in Kirchgemeinden liturgische Feiern anbieten können. 

Zwei Tage für ein Einführungsmodul und weitere zwei jeweils für die Spezialisierung als Liturgin, Wegbegleiter oder Gastgeberin: Dieser Minilehrgang soll «Mitchristinnen und Mitchristen» befähigen, Gott und das Leben vielfältig mit anderen zusammen zu feiern.

Die Kanzel kalt lassen

Der Initiant ist Uwe Habenicht, Pfarrer in der St. Galler Stadtkirchgemeinde Straubenzell und Beauftragter für Gottesdienst und Liturgie bei der Kantonalkirche. «Für die Zukunft wird entscheidend sein, dass wir als Gemeinde zusammenkommen, um miteinander zu feiern. Die Formen dafür dürfen und müssen sich verändern», sagt er. 

Nicht mehr die «akademisch abgesicherte Kanzelrede» möchte der Theologe im Mittelpunkt sehen, sondern den Erfahrungsaustausch, ein Echo darauf, was biblische Inhalte sowie gesellschaftliche Themen bei den Leuten auslösen. Und zwar in unterschiedlichsten Formen: von Achtsamkeitspraxis über Schweigen, Dialoge, Meditation, Interviews bis zu Körpergebet, Musik und Tanz.

Je mehr Menschen zu Wort kommen und je vielfältiger die Beteiligungsformen sind, desto besser.
Uwe Habenicht, Pfarrer in St. Gallen und Beauftragter für Gottesdienst und Liturgie bei der Kantonalkirche

Die Idee sei aufgrund von Erfahrungen und Einsichten aus den letzten Jahrzehnten entstanden, sagt der Pfarrer. Als «vielleicht wichtigsten Impuls» nennt er eine Aktion, die 2019 und 2022 in seiner Kirchgemeinde stattfand. «Wir verzichteten auf Predigten, liessen also die Kanzel kalt, und stattdessen haben wir sehr unterschiedliche Kommunikationsformen ausprobiert.»

Die Experimente in diesem Rahmen hätten der Gemeinde sehr viele Impulse gegeben. Und gezeigt, gemeinsames Feiern ist nicht auf eine Predigt angewiesen, im Gegenteil: «Je mehr Menschen zu Wort kommen und je vielfältiger die Beteiligungsformen sind, desto besser.»

Gesellschaftliche Aufgabe 

Grund ist also nicht nur, dass der Kirche das Personal ausgeht, wie es Uwe Habenicht selbst formuliert. Und eine Sparübung ist es ebenfalls nicht; immerhin ist geplant, das Leitungstrio einer Feier jeweils mit dem Honorar für einen Vertretungsgottesdienst zu entlöhnen, falls der Anlass ein Ersatz für einen «richtigen» Gottesdienst ist. 

Das nährt die einzelnen Menschen und die Gemeinschaft. So wird Kirche als Community erfahrbar.
Christine Oefele, Beauftragte für Gottesdienst und Kirchenmusik bei den Landeskirchen Bern-Jura-Solothurn

Der St. Galler Pfarrer sieht bei alledem die Kirche in der Pflicht: «Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, Räume des Gesprächs und Austauschs, des Hörens und Zuhörens zu schaffen.» Den angedachten Rahmen erachtet er als ideal: eine elementare Feier, für die es «fast nichts braucht ausser ein paar Menschen, die beisammen sein möchten».

«Einfach feiern» in Bern 

Freude an der Initiative in der Ostschweiz hat Christine Oefele. Als Beauftragte für Gottesdienst und Kirchenmusik bei den Landeskirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso) ist sie in ähnlicher Position wie Uwe Habenicht. «Ich teile seine Sicht auf die Zukunft des Gottesdienstes – nicht nur aus pragmatischen Gründen wegen des Pfarrmangels, sondern ebenso mit dem Blick auf die Theologie», erklärt die promovierte Theologin. 

Aus ähnlichen Überlegungen habe Refbejuso 2020 in bescheidenerem Rahmen mit «Einfach feiern» begonnen. Damit möchte die reformierte Landeskirche einfache gemeinschaftliche Gottesdienstformen etablieren, für die kein Theologiestudium erforderlich ist. Eine Broschüre als «Starterkit» und kurze Kurse sollen Interessierte dabei unterstützen.

Das Alltagsbrot des Glaubens teilen

Refbejuso wolle diese Initiative weiterverfolgen, sagt Christine Oefele. Einerseits meldeten sich Interessierte sowohl aus der Pfarrschaft als auch aus Kirchgemeinden. Zudem sieht die Theologin wichtige Vorteile in neuen Arten des Feierns. Auf diesem Weg finde Beteiligungskirche statt, «das Alltagsbrot unseres Glaubens» werde geteilt, findet Oefele. 

Sie ist überzeugt: «Das nährt die einzelnen Menschen und die Gemeinschaft. So wird Kirche als Community erfahrbar.»