Gesellschaft 04. Oktober 2025, von Marius Schären

KI in der Diakonie kann schliesslich auch menschlich wirken

Sozialarbeit

Künstliche Intelligenz kann auch in einer Profession wie der Sozialdiakonie wirken. Das zeigt ein Weiterbildungsangebot des Dachverbandes. Wichtig ist ein adäquater Einsatz.

Für jene da sein, die Schwierigkeiten haben: Kern der Sozialdiakonie ist der direkte menschliche Austausch. Doch auch in diesem Berufsfeld bringt die Digitalisierung und mit ihr die rasante Entwicklung sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) Veränderung. 

Die Dachorganisation Diakonie Schweiz greift das aktuell auf mit einer neuen Online-Weiterbildungsreihe. Bis im Januar gibt es online unter dem Titel «Diakonie und KI» diverse Module, die praktische Umsetzungsmöglichkeiten, Chancen und Grenzen thematisieren. Im kürzlich erfoglten zweiten Modul hat die Kommunikationsberaterin Antonia Zahner die Teilnehmenden praxisnah in Text- und Bildwerkzeuge eingeführt. Dabei konnten sie auch eigene Szenarien aus dem Berufsalltag praktisch umsetzen.

Co-Pilot, nicht Autopilot

Zahner warnte dabei vor unreflektierter Nutzung von KI-Instrumenten und vor dem Drang, ständig neue gleich einzusetzen. «Nutzen Sie KI-Tools als Co-Piloten, nicht als Autopiloten», empfiehlt die Fachfrau.

Die Organisation und die Weiterbildung

Die Diakonie Schweiz ist die nationale Dachorganisation für Diakonie der reformierten Landeskirchen. Als Konferenz der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS vereint sie sowohl die für Diakonie zuständigen Kirchen- bzw. Synodalratsmitglieder der Landeskirchen als auch zahlreiche diakonische Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen. Das 

Weiterbildungsangebot «Diakonie und KI» richtet sich an Sozialdiakoninnen, Pfarrpersonen und Mitarbeitende kirchlicher Werke. Ziel ist es, Grundlagen zu vermitteln, erste Anwendungsfelder zu erschließen und Chancen sowie Risiken zu diskutieren. Es dauert von August 2025 bis Januar 2026. 

Die Möglichkeiten in der Sozialdiakonie betreffen nicht direkt die Kerntätigkeiten, sondern eher begleitende Arbeiten – aber ebenfalls wichtige: Texte entwerfen, korrigieren, zusammenfassen und übersetzen, Recherchen strukturieren, Unterrichtsmaterialien oder Redaktionspläne erstellen, gestalten für Drucksachen oder Online-Inhalte. 

Antonia Zahner verwies aber auch klar auf die Grenzen. Sprachmodelle könnten Schwierigkeiten haben mit Ironie, Kontextverständnis und Faktentreue. «Präzise Prompts (Anweisungen), eine bewusste Modellwahl und konsequenter Faktencheck sind daher nötig», hält sie fest.

Entlastung bringt mehr Zeit

Indirekt komme so ein effizienter Einsatz von KI schliesslich doch der zwischenmenschlichen Arbeit zugute. Denn Korrespondenzen, Protokolle oder Übersetzungen liessen sich beschleunigen, Lehrmaterialien und Gesprächsleitfäden einfacher erstellen, komplexe Inhalte in leichte Sprache übertragen. «So bleibt mehr Zeit für Beziehungsarbeit und Gemeinwesenarbeit.»

Damit dies gelingt, braucht es klare Leitplanken. Zahner empfiehlt: keine Trainings mit vertraulichen Daten, kein Einsatz personenbezogener Informationen in unsicheren Tools, verbindliche Richtlinien und Schulungen in den Trägerschaften. Und präzise Briefings an die Sprachmodelle – mit klarer Rolle, Tonalität und Zielgruppe – würden Qualität und Konsistenz sichern.

Europäischer Verband empfiehlt Augenmass

Gemäss Diakonie Schweiz betont auch der europäische Dachverband Eurodiaconia 

die Chancen und Risiken von KI im beruflichen Einsatz. Sie könne Barrierefreiheit und Effizienz erhöhen, gleichzeitig aber Verzerrungen und Ungleichheiten verstärken. Und der Europäische Verband der Leistungserbringer für Menschen mit Behinderung (Easpd) fordert deshalb eine menschenzentrierte, barrierefreie KI, die Transparenz und Datenschutz in den Mittelpunkt stellt. Für die Schweizer Sozialdiakonie heisse das: Technik muss dem Menschenbild und professionellen Standards verpflichtet bleiben.

Im zweiten Modul der Weiterbildung zeigte sich, dassdie besten Ergebnisse dort entstehen, wo Teamarbeit, Ethik und Technik zusammenkommen. Antonia Zahner formulierte es so: «KI ist wie E-Bike fahren: Wer sie klug nutzt, kommt mit weniger Kraftaufwand weiter, bleibt aber selbst die Fahrerin oder der Fahrer.»

Wo Praxistools wirken

Nach der Einfahrung in Grundlagen der Künstlichen Intelligenz und der praktischen Erprobung von KI- Anwendungen im Betriebsalltag folgen in der Weiterbildung von Diakonie Schweiz weitere drei Module. Ein Thema sind Anwendungen der KI im Bereich der Sozialen Arbeit. Hier geht es neben der Diskussion von Praxisbeispielen darum, ethisch zu reflektieren, wie KI-Anwendungen mit Blick auf gesellschaftliche Ungleichheit wirken. 

Weiter stellt Spiro Mavrias von der Reformierten Kirche Kanton Zürich Praxistools vor, etwa einen Trainingsbot für diakonisch-seelsorgliche Gesprächsführung. Und es geht um Fragen wie die Begleitung von Menschen mit Sehbeeinträchtigungen im Alltag, wie Sprachbots die Zusammenarbeit mit fremdsprachigen Geflüchteten erleichtern können oder eine Schuldenberatung durch KI unterstützt. Abschliessen wird die Weiterbildung eine Paneldiskussion mit Referierenden der Weiterbildung und Gästen.